Ein Trauerspiel in fÃ?nf AufzÃ?gen
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Personen:
Margarete von Parma, Tochter Karls des FÃ?nften,
Regentin der Niederlande
Graf Egmont, Prinz von Gaure
Wilhelm von Oranien
Herzog von Alba
Ferdinand, sein natÃ?rlicher Sohn
Machiavell, im Dienste der Regentin
Richard, Egmonts Geheimschreiber
Silva und Gomez, unter Alba dienend
KlÃ?rchen, Egmonts Geliebte
Ihre Mutter
Brackenburg, ein BÃ?rgerssohn
Soest, KrÃ?mer, BÃ?rger von BrÃ?ssel
Jetter, Schneider, BÃ?rger von BrÃ?ssel
Zimmermann und Seifensieder, BÃ?rger von BrÃ?ssel
Buyck, Soldat unter Egmont
Ruysum, Invalide und taub
Vansen, ein Schreiber
Volk, Gefolge, Wachen usw.
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Erster Aufzug
ArmbrustschieÃ?en
Soldaten und BÃ?rger mit ArmbrÃ?sten
Jetter, BÃ?rger von BrÃ?ssel, Schneider, tritt vor und spannt die
Armbrust. Soest, BÃ?rger von BrÃ?ssel, KrÃ?mer.
Soest. Nun schieÃ?t nur hin, daÃ? es alle wird! Ihr nehmt mir's doch
nicht! Drei Ringe schwarz, die habt Ihr Eure Tage nicht geschossen. Und so
wÃ?r' ich fÃ?r dies Jahr Meister.
Jetter. Meister und KÃnig dazu. Wer miÃ?gÃnnt's Euch? Ihr sollt
dafÃ?r auch die Zeche doppelt bezahlen; Ihr sollt Eure Geschicklichkeit
bezahlen, wie's 'recht ist.
(Buyck, ein HollÃ?nder, Soldat unter Egmont.)
Buyck. Jetter, den SchuÃ? handl' ich Euch ab, teile den Gewinst,
traktiere die Herren: ich bin so schon lange hier und fÃ?r viele
HÃflichkeit Schuldner. Fehl ich, so ist's, als wenn Ihr geschossen hÃ?ttet.
-
Soest. Ich sollte dreinreden: denn eigentlich verlier ich dabei. Doch,
Buyck, nur immerhin.
Buyck (schieÃ?t). Nun, Pritschmeister, Reverenz! - Eins! Zwei! Drei!
Vier!
Soest. Vier Ringe? Es sei!
Alle. Vivat, Herr KÃnig, hoch! und abermal hoch!
Buyck. Danke, ihr Herren. WÃ?re Meister zu viel! Danke fÃ?r die Ehre.
Jetter. Die habt Ihr Euch selbst zu danken.
(Ruysum, ein FrieslÃ?nder, Invalide und taub.)
Ruysum. DaÃ? ich euch sage!
Soest. Wie ist's, Alter?
Ruysum. DaÃ? ich euch sage! - Er schieÃ?t wie sein Herr, er schieÃ?t
wie Egmont.
Buyck. Gegen ihn bin ich nur ein armer Schlucker. Mit der BÃ?chse
trifft er erst, wie keiner in der Welt. Nicht etwa, wenn er GlÃ?ck oder gute
Laune hat; nein! wie er anlegt, immer rein schwarz geschossen. Gelernt habe
ich von ihm. Das wÃ?re auch ein Kerl, der bei ihm diente und nichts von ihm
lernte. - Nicht zu vergessen, meine Herren! Ein KÃnig nÃ?hrt seine Leute;
und so, auf des KÃnigs Rechnung, Wein her!
Jetter. Es ist unter uns ausgemacht, daÃ? jeder -
Buyck. Ich bin fremd und KÃnig, und achte eure Gesetze und Herkommen
nicht.
Jetter. Du bist ja Ã?rger als der Spanier; der hat sie uns doch bisher
lassen mÃ?ssen.
Ruysum. Was?
Soest (laut). Er will uns gastieren; er will nicht haben, daÃ? wir
zusammenlegen und der KÃnig nur das Doppelte zahlt.
Ruysum. LaÃ?t ihn! doch ohne PrÃ?judiz! Das ist auch seines Herrn Art,
splendid zu sein und es laufen zu lassen, wo es gedeiht.
(Sie bringen Wein.)
Alle. Ihro MajestÃ?t Wohl! Hoch!
Jetter (zu Buyck). Versteht sich: Eure MajestÃ?t.
Buyck. Danke von Herzen, wenn's doch so sein soll.
Soest. Wohl! Denn unserer spanischen MajestÃ?t Gesundheit trinkt nicht
leicht ein NiederlÃ?nder von Herzen.
Ruysum. Wer?
Soest (laut). Philipps des Zweiten, KÃnigs in Spanien.
Ruysum. Unser allergnÃ?digster KÃnig und Herr! Gott geb' ihm langes
Leben.
Soest. Hattet Ihr seinen Herrn Vater, Karl den FÃ?nften, nicht lieber?
Ruysum. Gott trÃst' ihn! Das war ein Herr! Er hatte die Hand Ã?ber den
ganzen Erdboden und war euch alles in allem; und wenn er euch begegnete, so
grÃ?Ã?t' er euch wie ein Nachbar den andern; und wenn ihr erschrocken wart,
wuÃ?t' er mit so guter Manier - ja, versteht mich - Er ging aus, ritt aus,
wie's ihm einkam, gar mit wenig Leuten. Haben wir doch alle geweint, wie er
seinem Sohn das Regiment hier abtrat - sagt' ich, versteht mich - der ist
schon anders, der ist majestÃ?tischer.
Jetter. Er lieÃ? sich nicht sehen, da er hier war, als in Prunk und
kÃniglichem Staate. Er spricht wenig, sagen die Leute.
Soest. Es ist kein Herr fÃ?r uns NiederlÃ?nder. Unsre FÃ?rsten mÃ?ssen
froh und frei sein wie wir, leben und leben lassen. Wir wollen nicht
verachtet noch gedruckt sein, so gutherzige Narren wir auch sind.
Jetter. Der KÃnig, denk ich, wÃ?re wohl ein gnÃ?diger Herr, wenn er
nur bessere Ratgeber hÃ?tte.
Soest. Nein, nein! Er hat kein GemÃ?t gegen uns NiederlÃ?nder, sein
Herz ist dem Volke nicht geneigt, er liebt uns nicht; wie kÃnnen wir ihn
wiederlieben? Warum ist alle Welt dem Grafen Egmont so hold? Warum trÃ?gen
wir ihn alle auf den HÃ?nden? Weil man ihm ansieht, daÃ? er uns wohlwill;
weil ihm die FrÃhlichkeit, das freie Leben, die gute Meinung aus den Augen
sieht; weil er nichts besitzt, das er dem DÃ?rftigen nicht mitteilte, auch
dem, der's nicht bedarf. LaÃ?t den Grafen Egmont leben! Buyck, an Euch
ist's, die erste Gesundheit zu bringen! Bringt Eures Herrn Gesundheit aus.
Buyck. Von ganzer Seele denn: Graf Egmont hoch!
Ruysum. Ã?berwinder bei St. Quintin.
Buyck. Dem Helden von Gravelingen!
Alle. Hoch!
Ruysum. St. Quintin war meine letzte Schlacht. ich konnte kaum mehr
fort, kaum die schwere BÃ?chse mehr schleppen. Hab ich doch den Franzosen
noch eins auf den Pelz gebrennt, und da kriegt' ich zum Abschied noch einen
StreifschuÃ? ans rechte Bein.
Buyck. Gravelingen! Freunde! da ging's frisch! Den Sieg haben wir
allein. Brannten und sengten die welschen Hunde nicht durch ganz Flandern?
Aber ich mein, wir trafen sie! Ihre alten, handfesten Kerle hielten lange
wider, und wir drÃ?ngten und schossen und hieben, daÃ? sie die MÃ?uler
verzerrten und ihre Linien zuckten. Da ward Egmont das Pferd unter dem Leibe
niedergeschossen, und wir stritten lange hinÃ?ber herÃ?ber, Mann fÃ?r Mann,
Pferd gegen Pferd, Haufe mit Haufe, auf dem breiten flachen Sand an der See
hin. Auf einmal kam's, wie vom Himmel herunter, von der MÃ?ndung des
Flusses, bav, bau! immer mit Kanonen in die Franzosen drein. Es waren
EnglÃ?nder, die unter dem Admiral Malin von ungefÃ?hr von DÃ?nkirchen her
vorbeifuhren. Zwar viel halfen sie uns nicht; sie konnten nur mit den
kleinsten Schiffen herbei, und das nicht nah genug; schossen auch wohl unter
uns - Es tat doch gut! Es brach die Welschen und hob unsern Mut. Da ging's!
Rick! rack! herÃ?ber, hinÃ?ber! Alles totgeschlagen, alles ins Wasser
gesprengt. Und die Kerle ersoffen, wie sie das Wasser schmeckten; und was
wir HollÃ?nder waren, gerad hintendrein. Uns, die wir beidlebig sind, ward
erst wohl im Wasser wie den FrÃschen; und immer die Feinde im FluÃ?
zusammengehauen, weggeschossen wie die Enten. Was nun noch durchbrach,
schlugen euch auf der Flucht die Bauerweiber mit Hacken und Mistgabeln tot.
MuÃ?te doch die welsche MajestÃ?t gleich das PfÃtchen reichen und Friede
machen. Und den Frieden seid ihr uns schuldig, dem groÃ?en Egmont schuldig.
Alle. Hoch! dem groÃ?en Egmont hoch! und abermal hoch! und abermal
hoch!
Jetter. HÃ?tte man uns den statt der Margrete von Parma zum Regenten
gesetzt!
Soest. Nicht so! Wahr bleibt wahr! Ich lasse mir Margareten nicht
schelten. Nun ist's an mir. Es lebe unsre gnÃ?d'ge Frau!
Alle. Sie lebe!
Soest. Wahrlich, treffliche Weiber sind in dem Hause. Die Regentin
lebe!
Jetter. Klug ist sie, und mÃ?Ã?ig in allem, was sie tut; hielte sie's
nur nicht so steif und fest mit den Pfaffen. Sie ist doch auch mit, schuld,
daÃ? wir die vierzehn neuen BischofsmÃ?tzen im Lande haben. Wozu die nur
sollen? Nicht wahr, daÃ? man Fremde in die guten Stellen einschieben kann,
wo sonst Ã'bte aus den Kapiteln gewÃ?hlt wurden? Und wir sollen glauben, es
sei um der Religion willen. Ja, es hat sich. An drei BischÃfen hatten wir
genug: da ging's ehrlich und ordentlich zu. Nun muÃ? doch auch jeder tun,
als ob er nÃtig wÃ?re; und da setzt's allen Augenblick VerdruÃ? und
HÃ?ndel. Und je mehr ihr das Ding rÃ?ttelt und schÃ?ttelt, desto trÃ?ber
wird's.
(Sie trinken.)
Soest. Das war nun des KÃnigs Wille; sie kann nichts davon- noch
dazutun.
Jetter. Da sollen wir nun die neuen Psalmen nicht singen. Sie sind
wahrlich gar schÃn in Reimen gesetzt und haben recht erbauliche Weisen. Die
sollen wir nicht singen, aber Schelmenlieder, so viel wir wollen. Und warum?
Es seien Ketzereien drin, sagen sie, und Sachen, Gott weiÃ?. Ich hab ihrer
doch auch gesungen; es ist jetzt was Neues, ich hab nichts drin gesehen.
Buyck. Ich wollte sie fragen! In unsrer Provinz singen wir, was wir
wollen. Das macht, daÃ? Graf Egmont unser Statthalter ist; der fragt nach so
etwas nicht. - In Gent, Ypern, durch ganz Flandern singt sie, wer Belieben
hat. (Laut.) Es ist ja wohl nichts unschuldiger als ein geistlich Lied?
Nicht wahr, Vater?
Ruysum. Ei wohl! Es ist ja ein Gottesdienst, eine Erbauung.
Jetter. Sie sagen aber, es sei nicht auf die rechte Art, nicht auf ihre
Art; und gefÃ?hrlich ist's doch immer, da lÃ?Ã?t man's lieber sein. Die
Inquisitionsdiener schleichen herum und passen auf; mancher ehrliche Mann
ist schon unglÃ?cklich geworden. Der Gewissenszwang fehlte noch! Da ich
nicht tun darf, was ich mÃchte, kÃnnen sie mich doch denken und singen
lassen, was ich will.
Soest. Die Inquisition kommt nicht auf. Wir sind nicht gemacht, wie die
Spanier, unser Gewissen tyrannisieren zu lassen. Und der Adel muÃ? auch
beizeiten suchen, ihr die FlÃ?gel zu beschneiden.
Jetter. Es ist sehr fatal. Wenn's den lieben Leuten einfÃ?llt, in mein
Haus zu stÃ?rmen, und ich sitz an meiner Arbeit und summe just einen
franzÃsischen Psalm und denke nichts dabei, weder Gutes noch BÃses; ich
summe ihn aber, weil er mir in der Kehle ist: gleich bin ich ein Ketzer und
werde eingesteckt. Oder ich gehe Ã?ber Land und bleibe bei einem Haufen
Volks stehen, das einem neuen Prediger zuhÃrt, einem von denen, die aus
Deutschland gekommen sind: auf der Stelle heiÃ? ich ein Rebell und komme in
Gefahr, meinen Kopf zu verlieren. Habt ihr je einen predigen hÃren?
Soest. Wackre Leute. Neulich hÃrt' ich einen auf dem Felde vor tausend
und tausend Menschen sprechen. Das war ein ander GekÃch, als wenn unsre auf
der Kanzel herumtrommeln und die Leute mit lateinischen Brocken erwÃ?rgen.
Der sprach von der Leber weg; sagte, wie sie uns bisher hÃ?tten bei der Nase
herumgefÃ?hrt, uns in der Dummheit erhalten, und wie wir mehr Erleuchtung
haben kÃnnten. - Und das bewies er euch alles aus der Bibel.
Jetter. Da mag doch auch was dran sein. Ich sagt's immer selbst und
grÃ?belte so Ã?ber die Sache nach. Mir ist's lang im Kopf herumgegangen.
Buyck. Es lÃ?uft ihnen auch alles Volk nach.
Soest. Das glaub ich, wo man was Gutes hÃren kann und was Neues.
Jetter. Und was ist's denn nun? Man kann ja einen jeden predigen lassen
nach seiner Weise.
Buyck. Frisch, ihr Herren! Ã?ber dem SchwÃ?tzen vergeÃ?t ihr den Wein
und Oranien.
Jetter. Den nicht zu vergessen. Das ist ein rechter Wall: wenn man nur
an ihn denkt, meint man gleich, man kÃnne sich hinter ihn verstecken und
der Teufel brÃ?chte einen nicht hervor. Hoch! Wilhelm von Oranien, hoch!
Alle. Hoch! hoch!
Soest. Nun, Alter, bring auch deine Gesundheit.
Ruysum. Alte Soldaten! Alle Soldaten! Es lebe der Krieg!
Buyck. Bravo, Alter! Alle Soldaten! Es lebe der Krieg!
Jetter. Krieg! Krieg! WiÃ?t ihr auch, was ihr ruft? DaÃ? es euch leicht
vom Munde geht, ist wohl natÃ?rlich; wie lumpig aber unsereinem dabei zumute
ist, kann ich nicht sagen. Das ganze Jahr das Getrommel zu hÃren; und
nichts zu hÃren, als wie da ein Haufen gezogen kommt und dort ein andrer,
wie sie Ã?ber einen HÃ?gel kamen und bei einer MÃ?hle hielten, wieviel da
geblieben sind, wieviel dort, und wie sie sich drÃ?ngen, und einer gewinnt,
der andere verliert, ohne daÃ? man sein Tage begreift, wer was gewinnt oder
verliert. Wie eine Stadt eingenommen wird, die BÃ?rger ermordet werden, und
wie's den armen Weibern, den unschuldigen Kindern ergeht. Das ist eine Not
und Angst, man denkt jeden Augenblick: Â'Da kommen sie! Es geht uns auch
so.Â'
Soest. Drum muÃ? auch ein BÃ?rger immer in Waffen geÃ?bt sein.
Jetter. Ja, es Ã?bt sich, wer Frau und Kinder hat. Und doch hÃr ich
noch lieber von Soldaten, als ich sie sehe.
Buyck. Das sollt' ich Ã?belnehmen.
Jetter. Auf Euch ist's nicht gesagt, Landsmann. Wie wir die spanischen
Besatzungen los waren, holten wir wieder Atem.
Soest. Gelt! die lagen dir am schwersten auf?
Jetter. Vexier' Er sich.
Soest. Die hatten scharfe Einquartierung bei dir.
Jetter. Halt dein Maul.
Soest. Sie hatten ihn vertrieben aus der KÃ?che, dem Keller, der Stube
- dem Bette.
(Sie lachen.)
Jetter. Du bist ein Tropf.
Buyck. Friede, ihr Herren! MuÃ? der Soldat Friede rufen? - Nun da ihr
von uns nichts hÃren wollt, nun bringt auch eure Gesundheit aus, eine
bÃ?rgerliche Gesundheit.
Jetter. Dazu sind wir bereit! Sicherheit und Ruhe!
Soest. Ordnung und Freiheit!
Buyck. Brav! das sind auch wir zufrieden.
(Sie stoÃ?en an und wiederholen frÃhlich die Worte, doch so, daÃ?
jeder ein anders ausruft und es eine Art Kanon wird. Der Alte horcht und
fÃ?llt endlich auch mit ein.)
Alle. Sicherheit und Ruhe! Ordnung und Freiheit!
Palast der Regentin
Margarete von Parma in Jagdkleidern. Hofleute. Pagen. Bediente.
Regentin. Ihr stellt das Jagen ab, ich werde heut nicht reiten. Sagt
Machiavellen, er soll zu mir kommen.
(Alle gehen ab.)
Der Gedanke an diese schrecklichen Begebenheiten lÃ?Ã?t mir keine Ruhe!
Nichts kann mich ergetzen, nichts mich zerstreuen; immer sind diese Bilder,
diese Sorgen vor mir. Nun wird der KÃnig sagen, dies sei'n die Folgen
meiner GÃ?te, meiner Nachsicht; und doch sagt mir mein Gewissen jeden
Augenblick, das RÃ?tlichste, das Beste getan zu haben. Sollte ich frÃ?her
mit dem Sturme des Grimmes diese Flammen anfachen und umhertreiben? Ich
hoffte sie zu umstellen, sie in sich selbst zu verschÃ?tten. Ja, was ich mir
selbst sage, was ich wohl weiÃ?, entschuldigt mich vor mir selbst; aber wie
wird es mein Bruder aufnehmen? Denn, ist es zu leugnen? Der Ã?bermut der
fremden Lehrer hat sich tÃ?glich erhÃht; sie haben unser Heiligtum
gelÃ?stert, die stumpfen Sinne des PÃbels zerrÃ?ttet und den Schwindelgeist
unter sie gebannt. Unreine Geister haben sich unter die AufrÃ?hrer gemischt,
und schreckliche Taten sind geschehen, die zu denken schauderhaft ist, und
die ich nun einzeln nach Hofe zu berichten habe, schnell und einzeln, damit
mir der allgemeine Ruf nicht zuvorkomme, damit der KÃnig nicht denke, man
wolle noch mehr verheimlichen. Ich sehe kein Mittel, weder strenges noch
gelindes, dem Ã?bel zu steuern. O was sind wir GroÃ?en auf der Woge der
Menschheit? Wir glauben sie zu beherrschen, und sie treibt uns auf und
nieder, hin und her.
(Machiavell tritt auf.)
Regentin. Sind die Briefe an den KÃnig aufgesetzt?
Machiavell. In einer Stunde werdet Ihr sie unterschreiben kÃnnen.
Regentin. Habt Ihr den Bericht ausfÃ?hrlich genug gemacht?
Machiavell. AusfÃ?hrlich und umstÃ?ndlich, wie es der KÃnig liebt. Ich
erzÃ?hle, wie zuerst um St. Omer die bilderstÃ?rmerische Wut sich zeigt. Wie
eine rasende Menge, mit StÃ?ben, Beilen, HÃ?mmern, Leitern, Stricken
versehen, von wenig Bewaffneten begleitet, erst Kapellen, Kirchen und
KlÃster anfallen, die AndÃ?chtigen verjagen, die verschlossenen Pforten
aufbrechen, alles umkehren, die AltÃ?re niederreiÃ?en, die Statuen der
Heiligen zerschlagen, alle GemÃ?lde verderben, alles, was sie nur Geweihtes,
Geheiligtes antreffen, zerschmettern, zerreiÃ?en, zertreten. Wie sich der
Haufe unterwegs vermehrt, die Einwohner von Ypern ihnen die Tore erÃffnen.
Wie sie den Dom mit unglaublicher Schnelle verwÃ?sten, die Bibliothek des
Bischofs verbrennen. Wie eine groÃ?e Menge Volks, von gleichem Unsinn
ergriffen, sich Ã?ber Menin, Comines, Werwicq, Lille verbreitet, nirgend
Widerstand findet, und wie fast durch ganz Flandern in einem Augenblicke die
ungeheure VerschwÃrung sich erklÃ?rt und ausgefÃ?hrt ist.
Regentin. Ach, wie ergreift mich aufs neue der Schmerz bei deiner
Wiederholung! Und die Furcht gesellt sich dazu, das Ã?bel werde nur grÃÃ?er
und grÃÃ?er werden. Sagt mir Eure Gedanken, Machiavell!
Machiavell. Verzeihen Eure Hoheit, meine Gedanken sehen Grillen so
Ã?hnlich; und wenn Ihr auch immer mit meinen Diensten zufrieden wart, habt
Ihr doch selten meinem Rat folgen mÃgen. Ihr sagtet oft im Scherze: Â'Du
siehst zu weit, Machiavell! Du solltest Geschichtschreiber sein: wer
handelt, muÃ? fÃ?rs NÃ?chste sorgen.Â' Und doch, habe ich diese Geschichte
nicht vorauserzÃ?hlt? Hab ich nicht alles vorausgesehen?
Regentin. Ich sehe auch viel voraus, ohne es Ã?ndern zu kÃnnen.
Machiavell. Ein Wort fÃ?r tausend: Ihr unterdrÃ?ckt die neue Lehre
nicht. LaÃ?t sie gelten, sondert sie von den RechtglÃ?ubigen, gebt ihnen
Kirchen, faÃ?t sie in die bÃ?rgerliche Ordnung, schrÃ?nkt sie ein; und so
habt Ihr die AufrÃ?hrer auf einmal zur Ruhe gebracht. Jede andern Mittel
sind vergeblich, und Ihr verheert das Land.
Regentin. Hast du vergessen, mit welchem Abscheu mein Bruder selbst die
Frage verwarf, ob man die neue Lehre dulden kÃnne? WeiÃ?t du nicht, wie er
mir in jedem Briefe die Erhaltung des wahren Glaubens aufs eifrigste
empfiehlt? daÃ? er Ruhe und Einigkeit auf Kosten der Religion nicht
hergestellt wissen will? HÃ?lt er nicht selbst in den Provinzen Spione, die
wir nicht kennen, um zu erfahren, wer sich zu der neuen Meinung
hinÃ?berneigt? Hat er nicht zu unsrer Verwunderung uns diesen und jenen
genannt, der sich in unsrer NÃ?he heimlich der Ketzerei schuldig machte?
Befiehlt er nicht Strenge und SchÃ?rfe? Und ich soll gelind sein? ich soll
VorschlÃ?ge tun, daÃ? er nachsehe, daÃ? er dulde? WÃ?rde ich nicht alles
Vertrauen, allen Glauben bei ihm verlieren?
Machiavell. Ich weiÃ? wohl; der KÃnig befiehlt, er lÃ?Ã?t Euch seine
Absichten wissen. Ihr sollt Ruhe und Friede wiederherstellen, durch ein
Mittel, das die GemÃ?ter noch mehr erbittert, das den Krieg unvermeidlich an
allen Enden anblasen wird. Bedenkt, was Ihr tut. Die grÃÃ?ten Kaufleute
sind angesteckt, der Adel, das Volk, die Soldaten. Was hilft es, auf seinen
Gedanken beharren, wenn sich um uns alles Ã?ndert? MÃchte doch ein guter
Geist Philippen eingeben, daÃ? es einem KÃnige anstÃ?ndiger ist, BÃ?rger
zweierlei Glaubens zu regieren, als sie durch einander aufzureiben.
Regentin. Solch ein Wort nie wieder. Ich weiÃ? wohl, daÃ? Politik
selten Treu und Glauben halten kann, daÃ? sie Offenheit, Gutherzigkeit,
Nachgiebigkeit aus unsern Herzen ausschlieÃ?t. In weltlichen GeschÃ?ften ist
das leider nur zu wahr; sollen wir aber auch mit Gott spielen wie unter
einander? Sollen wir gleichgÃ?ltig gegen unsre bewÃ?hrte Lehre sein, fÃ?r
die so viele ihr Leben aufgeopfert haben? Die sollten wir hingeben an
hergelaufne, ungewisse, sich selbst widersprechende Neuerungen?
Machiavell. Denkt nur deswegen nicht Ã?bler von mir.
Regentin. Ich kenne dich und deine Treue und weiÃ?, daÃ? einer ein
ehrlicher und verstÃ?ndiger Mann sein kann, wenn er gleich den nÃ?chsten
besten Weg zum Heil seiner Seele verfehlt hat. Es sind noch andere,
Machiavell, MÃ?nner, die ich schÃ?tzen und tadeln muÃ?.
Machiavell. Wen bezeichnet Ihr mir?
Regentin. Ich kann es gestehen, daÃ? mir Egmont heute einen recht
innerlichen tiefen VerdruÃ? erregte.
Machiavell. Durch welches Betragen?
Regentin. Durch sein gewÃhnliches, durch GleichgÃ?ltigkeit und
Leichtsinn. Ich erhielt die schreckliche Botschaft, eben als ich, von vielen
und ihm begleitet, aus der Kirche ging. Ich hielt meinen Schmerz nicht an,
ich beklagte mich laut und rief, indem ich mich zu ihm wendete. Â'Seht, was
in Eurer Provinz entsteht! Das duldet Ihr, Graf, von dem der KÃnig sich
alles versprach?Â'
Machiavell. Und was antwortete er?
Regentin. Als wenn es nichts, als wenn es eine Nebensache wÃ?re,
versetzte er: Â'WÃ?ren nur erst die NiederlÃ?nder Ã?ber ihre Verfassung
beruhigt! Das Ã?brige wÃ?rde sich leicht geben.Â'
Machiavell. Vielleicht hat er wahrer als klug und fromm gesprochen. Wie
soll Zutrauen entstehen und bleiben, wenn der NiederlÃ?nder sieht, daÃ? es
mehr um seine BesitztÃ?mer als um sein Wohl, um seiner Seele Heil zu tun
ist? Haben die neuen BischÃfe mehr Seelen gerettet, als fette PfrÃ?nden
geschmaust, und sind es nicht meist Fremde? Noch werden alle
Statthalterschaften mit NiederlÃ?ndern besetzt; lassen sich es die Spanier
nicht zu deutlich merken, daÃ? sie die grÃÃ?te, unwiderstehlichste Begierde
nach diesen Stellen empfinden? Will ein Volk nicht lieber nach seiner Art
von den Seinigen regieret werden als von Fremden, die erst im Lande sich
wieder BesitztÃ?mer auf Unkosten aller zu erwerben suchen, die einen fremden
MaÃ?stab mitbringen und unfreundlich und ohne Teilnehmung herrschen?
Regentin. Du stellst dich auf die Seite der Gegner.
Machiavell. Mit dem Herzen gewiÃ? nicht; und wollte, ich kÃnnte mit
dem Verstande ganz auf der unsrigen sein.
Regentin. Wenn du so willst, so tÃ?t' es not, ich trÃ?te ihnen meine
Regentschaft ab; denn Egmont und Oranien machten sich groÃ?e Hoffnung,
diesen Platz einzunehmen. Damals waren sie Gegner; jetzt sind sie gegen mich
verbunden, sind Freunde, unzertrennliche Freunde geworden.
Machiavell. Ein gefÃ?hrliches Paar.
Regentin. Soll ich aufrichtig reden: ich fÃ?rchte Oranien, und ich
fÃ?rchte fÃ?r Egmont. Oranien sinnt nichts Gutes, seine Gedanken reichen in
die Ferne, er ist heimlich, scheint alles anzunehmen, widerspricht nie, und
in tiefster Ehrfurcht, mit grÃÃ?ter Vorsicht tut er, was ihm beliebt.
Machiavell. Recht im Gegenteil geht Egmont einen freien Schritt, als
wenn die Welt ihm gehÃrte.
Regentin. Er trÃ?gt das Haupt so hoch, als wenn die Hand der MajestÃ?t
nicht Ã?ber ihm schwebte.
Machiavell. Die Augen des Volks sind alle nach ihm gerichtet, und die
Herzen hÃ?ngen an ihm.
Regentin. Nie hat er einen Schein vermieden; als wenn niemand
Rechenschaft von ihm zu fordern hÃ?tte. Noch trÃ?gt er den Namen Egmont.
Graf Egmont freut ihn sich nennen zu hÃren; als wollte er nicht vergessen,
daÃ? seine Vorfahren Besitzer von Geldern waren. Warum nennt er sich nicht
Prinz von Gaure, wie es ihm zukommt? Warum tut er das? Will er erloschne
Rechte wieder geltend machen?
Machiavell. Ich halte ihn fÃ?r einen treuen Diener des KÃnigs.
Regentin. Wenn er wollte, wie verdient kÃnnte er sich um die Regierung
machen; anstatt daÃ? er uns schon, ohne sich zu nutzen, unsÃ?glichen
VerdruÃ? gemacht hat. Seine Gesellschaften, Gastmahle und Gelage haben den
Adel mehr verbunden und verknÃ?pft als die gefÃ?hrlichsten heimlichen
ZusammenkÃ?nfte. Mit seinen Gesundheiten haben die GÃ?ste einen dauernden
Rausch, einen nie sich verziehenden Schwindel geschÃpft. Wie oft setzt er
durch seine Scherzreden die GemÃ?ter des Volks in Bewegung, und wie stutzte
der PÃbel Ã?ber die neuen Livreen, Ã?ber die tÃrichten Abzeichen der
Bedienten!
Machiavell. Ich bin Ã?berzeugt, es war ohne Absicht.
Regentin. Schlimm genug. Wie ich sage: er schadet uns und nÃ?tzt sich
nicht. Er nimmt das Ernstliche scherzhaft; und wir, um nicht mÃ?Ã?ig und
nachlÃ?ssig zu scheinen, mÃ?ssen das Scherzhafte ernstlich nehmen. So hetzt
eins das andre; und was man abzuwenden sucht, das macht sich erst recht. Er
ist gefÃ?hrlicher als ein entschiednes Haupt einer VerschwÃrung; und ich
mÃ?Ã?te mich sehr irren, wenn man ihm bei Hofe nicht alles gedenkt. Ich kann
nicht leugnen, es vergeht wenig Zeit, daÃ? er mich nicht empfindlich, sehr
empfindlich macht.
Machiavell. Er scheint mir in allem nach seinem Gewissen zu handeln.
Regentin. Sein Gewissen hat einen gefÃ?lligen Spiegel. Sein Betragen
ist oft beleidigend. Er sieht oft aus, als wenn er in der vÃlligen
Ã?berzeugung lebe, er sei Herr und wolle es uns nur aus GefÃ?lligkeit nicht
fÃ?hlen lassen, wolle uns so gerade nicht zum Lande hinausjagen; es werde
sich schon geben.
Machiavell. Ich bitte Euch, legt seine Offenheit, sein glÃ?ckliches
Blut, das alles Wichtige leicht behandelt, nicht zu gefÃ?hrlich aus. Ihr
schadet nur ihm und Euch.
Regentin. Ich lege nichts aus. Ich spreche nur von den unvermeidlichen
Folgen, und ich kenne ihn. Sein niederlÃ?ndischer Adel und sein Golden Vlies
vor der Brust stÃ?rken sein Vertrauen, seine KÃ?hnheit. Beides kann ihn vor
einem schnellen, willkÃ?rlichen Unmut des KÃnigs schÃ?tzen. Untersuch es
genau; an dem ganzen UnglÃ?ck, das Flandern trifft, ist er doch nur allein
schuld. Er hat zuerst den fremden Lehrern nachgesehn, hat's so genau nicht
genommen und vielleicht sich heimlich gefreut, daÃ? wir etwas zu schaffen
hatten. LaÃ? mich nur; was ich auf dem Herzen habe, soll bei dieser
Gelegenheit davon. Und ich will die Pfeile nicht umsonst verschieÃ?en; ich
weiÃ?, wo er empfindlich ist. Er ist auch empfindlich.
Machiavell. Habt Ihr den Rat zusammenberufen lassen? Kommt Oranien
auch?
Regentin. Ich habe nach Antwerpen um ihn geschickt. Ich will ihnen die
Last der Verantwortung nahe genug zuwÃ?lzen; sie sollen sich mit mir dem
Ã?bel ernstlich entgegensetzen oder sich auch als Rebellen erklÃ?ren. Eile,
daÃ? die Briefe fertig werden, und bringe mir sie zur Unterschrift. Dann
sende schnell den bewÃ?hrten Vaska nach Madrid; er ist unermÃ?det und treu;
daÃ? mein Bruder zuerst durch ihn die Nachricht erfahre, daÃ? der Ruf ihn
nicht Ã?bereile. Ich will ihn selbst noch sprechen, eh' er abgeht.
Machiavell. Eure Befehle sollen schnell und genau befolgt werden.
BÃ?rgerhaus
Klare. Klarens Mutter. Brackenburg.
Klare. Wollt Ihr mir nicht das Garn halten, Brackenburg?
Brackenburg. Ich bitt Euch, verschont mich, KlÃ?rchen.
Klare. Was habt Ihr wieder? Warum versagt Ihr mir diesen kleinen
Liebesdienst?
Brackenburg. Ihr bannt mich mit dem Zwirn so fest vor Euch hin, ich
kann Euern Augen nicht ausweichen.
Klare. Grillen! kommt und haltet!
Mutter (im Sessel strickend). Singt doch eins! Brackenburg sekundiert
so hÃ?bsch. Sonst wart ihr lustig, und ich hatte immer was zu lachen.
Brackenburg. Sonst.
Klare. Wir wollen singen.
Brackenburg. Was Ihr wollt.
Klare. Nur hÃ?bsch munter und frisch weg! Es ist ein Soldatenliedchen,
mein LeibstÃ?ck. (Sie wickelt Garn und singt mit Brackenburg.)
Die Trommel gerÃ?hret!
Das Pfeifchen gespielt!
Mein Liebster gewaffnet
Dem Haufen befiehlt,
Die Lanze hoch fÃ?hret,
Die Leute regieret.
Wie klopft mir das Herze!
Wie wallt mir das Blut!
O hÃ?tt' ich ein WÃ?mslein
Und Hosen und Hut!
Ich folgt' ihm zum Tor 'naus
Mit mutigem Schritt,
Ging' durch die Provinzen,
Ging' Ã?berall mit.
Die Feinde schon weichen,
Wir schieÃ?en darein.
Welch GlÃ?ck sondergleichen,
Ein Mannsbild zu sein!
(Brackenburg hat unter dem Singen KlÃ?rchen oft angesehen; zuletzt
bleibt ihm die Stimme stocken, die TrÃ?nen kommen ihm in die Augen, er
lÃ?Ã?t den Strang fallen und geht ans Fenster. KlÃ?rchen singt das Lied
allein aus, die Mutter winkt ihr halb unwillig, sie steht auf, geht einige
Schritte nach ihm hin, kehrt halb unschlÃ?ssig wieder um und setzt sich.)
Mutter. Was gibt's auf der Gasse, Brackenburg? Ich hÃre marschieren.
Brackenburg. Es ist die Leibwache der Regentin.
Klare. Um diese Stunde? was soll das bedeuten? (Sie steht auf und geht
an das Fenster zu Brackenburg.) Das ist nicht die tÃ?gliche Wache, das sind
weit mehr! Fast alle ihre Haufen. O Brackenburg, geht! hÃrt einmal, was es
gibt. Es muÃ? etwas Besonderes sein. Geht, guter Brackenburg, tut mir den
Gefallen.
Brackenburg. Ich gehe! Ich bin gleich wieder da (Er reicht ihr abgehend
die Hand; sie gibt ihm die ihrige.)
Mutter. Du schickst ihn schon wieder weg.
Klare. Ich bin neugierig; und auch, verdenkt mir's nicht, seine
Gegenwart tut mir weh. Ich weiÃ? immer nicht, wie ich mich gegen ihn
betragen soll. Ich habe unrecht gegen ihn, und mich nagt's am Herzen, daÃ?
er es so lebendig fÃ?hlt. - Kann ich's doch nicht Ã?ndern!
Mutter. Es ist ein so treuer Bursche.
Klare. Ich kann's auch nicht lassen, ich muÃ? ihm freundlich begegnen.
Meine Hand drÃ?ckt sich oft unversehens zu, wenn die seine mich so leise, so
liebevoll anfaÃ?t. Ich mache mir VorwÃ?rfe, daÃ? ich ihn betriege, daÃ? ich
in seinem Herzen eine vergebliche Hoffnung nÃ?hre. Ich bin Ã?bel dran. WeiÃ?
Gott, ich betrieg ihn nicht. Ich will nicht, daÃ? er hoffen soll, und ich
kann ihn doch nicht verzweifeln lassen.
Mutter. Das ist nicht gut.
Klare. Ich hatte ihn gern und will ihm auch noch wohl in der Seele. Ich
hÃ?tte ihn heiraten kÃnnen und glaube, ich war nie in ihn verliebt.
Mutter. GlÃ?cklich wÃ?rst du immer mit ihm gewesen.
Klare. WÃ?re versorgt und hÃ?tte ein ruhiges Leben.
Mutter. Und das ist alles durch deine Schuld verscherzt.
Klare. Ich bin in einer wunderlichen Lage. Wenn ich so nachdenke, wie
es gegangen ist, weiÃ? ich's wohl und weiÃ? es nicht. Und dann darf ich
Egmont nur wieder ansehen, wird mir alles sehr begreiflich, ja wÃ?re mir
weit mehr begreiflich. Ach, was ist's ein Mann! Alle Provinzen beten ihn an,
und ich in seinem Arm sollte nicht das glÃ?cklichste GeschÃpf von der Welt
sein?
Mutter. Wie wird's in der Zukunft werden?
Klare. Ach, ich frage nur, ob er mich liebt; und ob er mich liebt, ist
das eine Frage?
Mutter. Man hat nichts als Herzensangst mit seinen Kindern. Wie das
ausgehen wird! Immer Sorge und Kummer! Es geht nicht gut aus! Du hast dich
unglÃ?cklich gemacht! mich unglÃ?cklich gemacht.
Klare (gelassen). Ihr lieÃ?et es doch im Anfange.
Mutter. Leider war ich zu gut, bin immer zu gut.
Klare. Wenn Egmont vorbeiritt und ich ans Fenster lief, schaltet Ihr
mich da? Tratet Ihr nicht selbst ans Fenster? Wenn er heraufsah, lÃ?chelte,
nickte, mich grÃ?Ã?te: war es Euch zuwider? Fandet Ihr Euch nicht selbst in
Eurer Tochter geehrt?
Mutter. Mache mir noch VorwÃ?rfe.
Klare (gerÃ?hrt). Wenn er nun Ãfter die StraÃ?e kam, und wir wohl
fÃ?hlten, daÃ? er um meinetwillen den Weg machte, bemerktet Ihr's nicht
selbst mit heimlicher Freude? Rieft Ihr mich ab, wenn ich hinter den
Scheiben stand und ihn erwartete?
Mutter. Dachte ich, daÃ? es so weit kommen sollte?
Klare (mit stockender Stimme und zurÃ?ckgehaltenen TrÃ?nen). Und wie er
uns abends, in den Mantel eingehÃ?llt, bei der Lampe Ã?berraschte, wer war
geschÃ?ftig, ihn zu empfangen, da ich auf meinem Stuhl wie angekettet und
staunend sitzen blieb?
Mutter. Und konnte ich fÃ?rchten, daÃ? diese unglÃ?ckliche Liebe das
kluge KlÃ?rchen so bald hinreiÃ?en wÃ?rde? Ich muÃ? es nun tragen, daÃ?
meine Tochter -
Klare (mit ausbrechenden TrÃ?nen). Mutter! Ihr wollt's nun! Ihr habt
Eure Freude, mich zu Ã?ngstigen.
Mutter (weinend). Weine noch gar! Mache mich noch elender durch deine
BetrÃ?bnis. Ist mir's nicht Kummer genug, daÃ? meine einzige Tochter ein
verworfenes GeschÃpf ist?
Klare (aufstehend und kalt). Verworfen! Egmonts Geliebte verworfen? -
Welche FÃ?rstin neidete nicht das arme KlÃ?rchen um den Platz an seinem
Herzen! O Mutter - meine Mutter, so redetet Ihr sonst nicht. Liebe Mutter,
seid gut! Das Volk, was das denkt, die Nachbarinnen, was die murmeln - Diese
Stube, dieses kleine Haus ist ein Himmel, seit Egmonts Liebe drin wohnt.
Mutter. Man muÃ? ihm hold sein! das ist wahr. Er ist immer so
freundlich, frei und offen.
Klare. Es ist keine falsche Ader an ihm. Seht, Mutter, und er ist doch
der groÃ?e Egmont. Und wenn er zu mir kommt, wie er so lieb ist, so gut! wie
er mir seinen Stand, seine Tapferkeit gerne verbÃ?rge! wie er um mich
besorgt ist! so nur Mensch, nur Freund, nur Liebster.
Mutter. Kommt er wohl heute?
Klare. Habt Ihr mich nicht oft ans Fenster gehen sehn? Habt Ihr nicht
bemerkt, wie ich horche, wenn's an der TÃ?r rauscht? - Ob ich schon weiÃ?,
daÃ? er vor Nacht nicht kommt, vermut ich ihn doch jeden Augenblick, von
morgens an, wenn ich aufstehe. WÃ?r' ich nur ein Bube und kÃnnte immer mit
ihm gehen, zu Hofe und Ã?berall hin! KÃnnt' ihm die Fahne nachtragen in der
Schlacht! -
Mutter. Du warst immer so ein Springinsfeld; als ein kleines Kind
schon, bald toll, bald nachdenklich. Ziehst du dich nicht ein wenig besser
an?
Klare. Vielleicht, Mutter! wenn ich Langeweile habe! - Gestern, denkt,
gingen von seinen Leuten vorbei und sangen Lobliedchen auf ihn. Wenigstens
war sein Name in den Liedern! das Ã?brige konnte ich nicht verstehn. Das
Herz schlug mir bis an den Hals - Ich hÃ?tte sie gern zurÃ?ckgerufen, wenn
ich mich nicht geschÃ?mt hÃ?tte.
Mutter. Nimm dich in acht! Dein heftiges Wesen verdirbt noch alles; du
verrÃ?tst dich offenbar vor den Leuten. Wie neulich bei dem Vetter, wie du
den Holzschnitt und die Beschreibung fandst und mit einem Schrei riefst:
Â'Graf Egmont!Â' - Ich ward feuerrot.
Klare. HÃ?tt' ich nicht schreien sollen? Es war die Schlacht bei
Gravelingen, und ich finde oben im Bilde den Buchstaben C. und suche unten
in der Beschreibung C. Steht da: Â'Graf Egmont, dem das Pferd unter dem
Leibe totgeschossen wird.Â' Mich Ã?berlief's - und hernach muÃ?t' ich lachen
Ã?ber den holzgeschnitzten Egmont, der so groÃ? war als der Turm von
Gravelingen gleich dabei und die englischen Schiffe an der Seite. - Wenn ich
mich manchmal erinnere, wie ich mir sonst eine Schlacht vorgestellt und was
ich mir als MÃ?dchen fÃ?r ein Bild vom Grafen Egmont machte, wenn sie von
ihm erzÃ?hlten, und von allen Grafen und FÃ?rsten - und wie mir's jetzt ist!
(Brackenburg kommt.)
Klare. Wie steht's?
Brackenburg. Man weiÃ? nichts Gewisses. In Flandern soll neuerdings ein
Tumult entstanden sein; die Regentin soll besorgen, er mÃchte sich hieher
verbreiten. Das SchloÃ? ist stark besetzt, die BÃ?rger sind zahlreich an den
Toren, das Volk summt in den Gassen. - Ich will nur schnell zu meinem alten
Vater. (Als wollt' er gehen.)
Klare. Sieht man Euch morgen? Ich will mich ein wenig anziehen. Der
Vetter kommt, und ich sehe gar zu liederlich aus. Helft mir einen
Augenblick, Mutter. - Nehmt das Buch mit, Brackenburg, und bringt mir wieder
so eine Historie.
Mutter. Lebt wohl.
Brackenburg (seine Hand reichend). Eure Hand!
Klare (ihre Hand versagend). Wenn Ihr wiederkommt. (Mutter und Tochter
ab.)
Brackenburg (allein). Ich hatte mir vorgenommen, gerade wieder
fortzugehn; und da sie es dafÃ?r aufnimmt und mich gehen lÃ?Ã?t, mÃcht' ich
rasend werden. - UnglÃ?cklicher! und dich rÃ?hrt deines Vaterlandes Geschick
nicht? der wachsende Tumult nicht? - und gleich ist dir Landsmann oder
Spanier, und wer regiert und wer recht hat? - War ich doch ein andrer Junge
als Schulknabe! - Wenn da ein Exerzitium aufgegeben war: Â'Brutus' Rede fÃ?r
die Freiheit, zur Ã?bung der RedekunstÂ', da war doch immer Fritz der Erste,
und der Rektor sagte: Â'Wenn's nur ordentlicher wÃ?re, nur nicht alles so
Ã?bereinander gestolpert.Â' - Damals kocht' es und trieb! - Jetzt schlepp
ich mich an den Augen des MÃ?dchens so hin. Kann ich sie doch nicht lassen!
Kann sie mich doch nicht lieben! - Ach - Nein - Sie - Sie kann mich nicht
ganz verworfen haben - Nicht ganz - und halb und nichts! - ich duld es nicht
lÃ?nger! - - Sollte es wahr sein, was mir ein Freund neulich ins Ohr sagte?
daÃ? sie nachts einen Mann heimlich zu sich einlÃ?Ã?t, da sie mich zÃ?chtig
immer vor Abend aus dem Hause treibt. Nein, es ist nicht wahr, es ist eine
LÃ?ge, eine schÃ?ndliche verleumderische LÃ?ge! KlÃ?rchen ist so unschuldig,
als ich unglÃ?cklich bin. - Sie hat mich verworfen, hat mich von ihrem
Herzen gestoÃ?en - - Und ich soll so fortleben? Ich duld, ich duld es nicht.
- - Schon wird mein Vaterland von innerm Zwiste heftiger bewegt, und ich
sterbe unter dem GetÃ?mmel nur ab! Ich duld es nicht! - Wenn die Trompete
klingt, ein SchuÃ? fÃ?llt, mir fÃ?hrt's durch Mark und Bein! Ach, es reizt
mich nicht! es fordert mich nicht, auch mit einzugreifen, mit zu retten, zu
wagen. - Elender, schimpflicher Zustand! Es ist besser, ich end auf einmal.
Neulich stÃ?rzt' ich mich ins Wasser, ich sank - aber die geÃ?ngstete Natur
war stÃ?rker; ich fÃ?hlte, daÃ? ich schwimmen konnte, und rettete mich wider
Wille. - - KÃnnt' ich der Zeiten vergessen, da sie mich liebte, mich zu
lieben schien! - Warum hat mir 's Mark und Bein durchdrungen, das GlÃ?ck?
Warum haben mir diese Hoffnungen allen GenuÃ? des Lebens aufgezehrt, indem
sie mir ein Paradies von weitem zeigten? - Und jener erste KuÃ?! Jener
einzige! - Hier (die Hand auf den Tisch legend), hier waren wir allein - sie
war immer gut und freundlich gegen mich gewesen - da schien sie sich zu
erweichen - sie sah mich an - alle Sinnen gingen mir um, und ich fÃ?hlte
ihre Lippen auf den meinigen. - Und - und nun? - Stirb, Armer! Was zauderst
du? (Er zieht ein FlÃ?schchen aus der Tasche.) Ich will dich nicht umsonst
aus meines Bruders DoktorkÃ?stchen gestohlen haben, heilsames Gift! Du
sollst mir dieses Bangen, diese Schwindel, diese TodesschweiÃ?e auf einmal
verschlingen und lÃsen.
Zweiter Aufzug
Platz in BrÃ?ssel
Jetter und ein Zimmermeister treten zusammen.
Zimmermeister. Sagt' ich's nicht voraus? Noch vor acht Tagen auf der
Zunft sagt' ich, es wÃ?rde schwere HÃ?ndel geben.
Jetter. Ist's denn wahr, daÃ? sie die Kirchen in Flandern geplÃ?ndert
haben?
Zimmermeister. Ganz und gar zugrunde gerichtet haben sie Kirchen und
Kapellen. Nichts als die vier nackten WÃ?nde haben sie stehen lassen. Lauter
Lumpengesindel! Und das macht unsre gute Sache schlimm. Wir hÃ?tten eher, in
der Ordnung und standhaft, unsere Gerechtsame der Regentin vortragen und
drauf halten sollen. Reden wir jetzt, versammeln wir uns jetzt, so heiÃ?t
es, wir gesellen uns zu den Aufwieglern.
Jetter. Ja, so denkt jeder zuerst: was sollst du mit deiner Nase voran?
hÃ?ngt doch der Hals gar nah damit zusammen.
Zimmermeister. Mir ist's bange, wenn's einmal unter dem Pack zu lÃ?rmen
anfÃ?ngt, unter dem Volk, das nichts zu verlieren hat. Die brauchen das zum
Vorwande, worauf wir uns auch berufen mÃ?ssen, und bringen das Land in
UnglÃ?ck.
(Soest tritt dazu.)
Soest. Guten Tag, ihr Herrn! Was gibt's Neues? Ist's wahr, daÃ? die
BilderstÃ?rmer gerade hierher ihren Lauf nehmen?
Zimmermeister. Hier sollen sie nichts anrÃ?hren.
Soest. Es trat ein Soldat bei mir ein, Tobak zu kaufen - den fragt' ich
aus. Die Regentin, so eine wackre kluge Frau sie bleibt, diesmal ist sie
auÃ?er Fassung. Es muÃ? sehr arg sein, daÃ? sie sich so geradezu hinter ihre
Wache versteckt. Die Burg ist scharf besetzt. Man meint sogar, sie wolle aus
der Stadt flÃ?chten.
Zimmermeister. Hinaus soll sie nicht! Ihre Gegenwart beschÃ?tzt uns,
und wir wollen ihr mehr verschaffen als ihre StutzbÃ?rte. Und wenn sie uns
unsere Rechte und Freiheiten aufrechterhÃ?lt, so wollen wir sie auf den
HÃ?nden tragen.
(Seifensieder tritt dazu.)
Seifensieder. Garstige HÃ?ndel! Ã?ble HÃ?ndel! Es wird unruhig und geht
schief aus! - HÃ?tet euch, daÃ? ihr stille bleibt, daÃ? man euch nicht auch
fÃ?r Aufwiegler hÃ?lt.
Soest. Da kommen die sieben Weisen aus Griechenland.
Seifensieder. Ich weiÃ?, da sind viele, die es heimlich mit den
Calvinisten halten, die auf die BischÃfe lÃ?stern, die den KÃnig nicht
scheuen. Aber ein treuer Untertan, ein aufrichtiger Katholike! -
(Es gesellt sich nach und nach allerlei Volk zu ihnen und horcht. -
Vansen tritt dazu.)
Vansen. Gott grÃ?Ã?' euch Herren! Was Neues?
Zimmermeister. Gebt euch mit dem nicht ab, das ist ein schlechter Kerl.
Jetter. Ist es nicht der Schreiber beim Doktor Wiets?
Zimmermeister. Er hat schon viele Herren gehabt. Erst war er Schreiber,
und wie ihn ein Patron nach dem andern fortjagte, Schelmstreiche halber,
pfuscht er jetzt Notaren und Advokaten ins Handwerk und ist ein
Branntweinzapf.
(Es kommt mehr Volk zusammen und steht truppweise.)
Vansen. Ihr seid auch versammelt, steckt die KÃpfe zusammen. Es ist
immer redenswert.
Soest. Ich denk auch.
Vansen. Wenn jetzt einer oder der andere Herz hÃ?tte, und einer oder
der andere den Kopf dazu: wir kÃnnten die spanischen Ketten auf einmal
sprengen.
Soest. Herre! So mÃ?Ã?t Ihr nicht reden. Wir haben dem KÃnig
geschworen.
Vansen. Und der KÃnig uns. Merkt das.
Jetter. Das lÃ?Ã?t sich hÃren! Sagt Eure Meinung.
Einige andere. Horch, der versteht's. Der hat Pfiffe.
Vansen. Ich hatte einen alten Patron, der besaÃ? Pergamente und Briefe
von uralten Stiftungen, Kontrakten und Gerechtigkeiten; er hielt auf die
rarsten BÃ?cher. In einem stand unsere ganze Verfassung: wie uns
NiederlÃ?nder zuerst einzelne FÃ?rsten regierten, alles nach hergebrachten
Rechten, Privilegien und Gewohnheiten; wie unsre Vorfahren alle Ehrfurcht
fÃ?r ihren FÃ?rsten gehabt, wenn er sie regiert, wie er sollte; und wie sie
sich gleich vorsahen, wenn er Ã?ber die Schnur hauen wollte. Die Staaten
waren gleich hinterdrein: denn jede Provinz, so klein sie war, hatte ihre
Staaten, ihre LandstÃ?nde.
Zimmermeister. Haltet Euer Maul! das weiÃ? man lange! Ein jeder
rechtschaffene BÃ?rger ist, so viel er braucht, von der Verfassung
unterrichtet.
Jetter. LaÃ?t ihn reden; man erfÃ?hrt immer etwas mehr.
Soests. Er hat ganz recht.
Mehrere. ErzÃ?hlt! erzÃ?hlt! So was hÃrt man nicht alle Tage.
Vansen. So seid ihr BÃ?rgersleute! Ihr lebt nur so in den Tag hin; und
wie ihr euer Gewerb' von euern Eltern Ã?berkommen habt, so laÃ?t ihr auch
das Regiment Ã?ber euch schalten und walten, wie es kann und mag. Ihr fragt
nicht nach dem Herkommen, nach der Historie, nach dem Recht eines Regenten;
und Ã?ber das VersÃ?umnis haben euch die Spanier das Netz Ã?ber die Ohren
gezogen.
Soests. Wer denkt da dran? wenn einer nur das tÃ?gliche Brot hat.
Jetter. Verflucht! Warum tritt auch keiner in Zeiten auf und sagt einem
so etwas?
Vansen. Ich sag es euch jetzt. Der KÃnig in Spanien, der die Provinzen
durch gut GlÃ?ck zusammen besitzt, darf doch nicht drin schalten und walten
anders als die kleinen FÃ?rsten, die sie ehemals einzeln besaÃ?en. Begreift
ihr das?
Jetter. ErklÃ?rt's uns.
Vansen. Es ist so klar als die Sonne. MÃ?Ã?t ihr nicht nach euern
Landrechten gerichtet werden? Woher kÃ?me das?
Ein BÃ?rger. Wahrlich!
Vansen. Hat der BrÃ?sseler nicht ein ander Recht als der Antwerper? der
Antwerper als der Genter? Woher kÃ?me denn das?
Anderer BÃ?rger. Bei Gott!
Vansen. Aber, wenn ihr's so fortlaufen laÃ?t, wird man's euch bald
anders weisen. Pfui! Was Karl der KÃ?hne, Friedrich der Krieger, Karl der
FÃ?nfte nicht konnten, das tut nun Philipp durch ein Weib.
Soests. Ja, ja! Die alten FÃ?rsten haben's auch schon probiert.
Vansen. Freilich! - Unsere Vorfahren paÃ?ten auf. Wie sie einem Herrn
gram wurden, fingen sie ihm etwa seinen Sohn und Erben weg, hielten ihn bei
sich und gaben ihn nur auf die besten Bedingungen heraus. Unsere VÃ?ter
waren Leute! Die wuÃ?ten, was ihnen nÃ?tz war! Die wuÃ?ten etwas zu fassen
und festzusetzen! Rechte MÃ?nner! DafÃ?r sind aber auch unsere Privilegien
so deutlich, unsere Freiheiten so versichert.
Seifensieder. Was sprecht Ihr von Freiheiten?
Das Volk. Von unsern Freiheiten, von unsern Privilegien! ErzÃ?hlt noch
was von unsern Privilegien.
Vansen. Wir Brabanter besonders, obgleich alle Provinzen ihre Vorteile
haben, wir sind am herrlichsten versehen. Ich habe alles gelesen.
Soests. Sagt an.
Jetter. LaÃ?t hÃren.
Ein BÃ?rger. Ich bitt Euch.
Vansen. Erstlich steht geschrieben: Der Herzog von Brabant soll uns ein
guter und getreuer Herr sein.
Soests. Gut! Steht das so?
Jetter. Getreu? Ist das wahr?
Vansen. Wie ich euch sage. Er ist uns verpflichtet, wie wir ihm.
Zweitens: Er soll keine Macht oder eignen Willen an uns beweisen, merken
lassen, oder gedenken zu gestatten, auf keinerlei Weise.
Jetter. SchÃn! SchÃn! nicht beweisen.
Soests. Nicht merken lassen.
Ein anderer. Und nicht gedenken zu gestatten! Das ist der Hauptpunkt.
Niemanden gestatten, auf keinerlei Weise.
Vansen. Mit ausdrÃ?cklichen Worten.
Jetter. Schafft uns das Buch.
Ein BÃ?rger. Ja, wir mÃ?ssen's haben.
Andere. Das Buch! das Buch!
Ein anderer. Wir wollen zu der Regentin gehen mit dem Buche.
Ein anderer. Ihr sollt das Wort fÃ?hren, Herr Doktor.
Seifensieder. O die TrÃpfe!
Andere. Noch etwas aus dem Buche!
Seifensieder. Ich schlage ihm die ZÃ?hne in den Hals, wenn er noch ein
Wort sagt.
Das Volk. Wir wollen sehen, wer ihm etwas tut. Sagt uns was von den
Privilegien! Haben wir noch mehr Privilegien?
Vansen. Mancherlei, und sehr gute, sehr heilsame. Da steht auch: Der
Landsherr soll den geistlichen Stand nicht verbessern oder mehren, ohne
Verwilligung des Adels und der StÃ?nde! Merkt das! Auch den Staat des Landes
nicht verÃ?ndern.
Soest. Ist das so?
Vansen. Ich will's euch geschrieben zeigen, von zwei-, dreihundert
Jahren her.
BÃ?rger. Und wir leiden die neuen BischÃfe? Der Adel muÃ? uns
schÃ?tzen, wir fangen HÃ?ndel an!
Andere. Und wir lassen uns von der Inquisition ins Bockshorn jagen?
Vansen. Das ist eure Schuld.
Das Volk. Wir haben noch Egmont! noch Oranien! Die sorgen fÃ?r unser
Bestes!
Vansen. Eure BrÃ?der in Flandern haben das gute Werk angefangen.
Seifensieder. Du Hund!
(Er schlÃ?gt ihn.)
Andere (widersetzen sich und rufen). Bist du auch ein Spanier?
Ein anderer. Was? den Ehrenmann?
Ein anderer. Den Gelahrten?
(Sie fallen den Seifensieder an.)
Zimmermeister. Um's Himmels willen, ruht!
(Andere mischen sich in den Streit.)
Zimmermeister. BÃ?rger, was soll das?
(Buben pfeifen, werfen mit Steinen, hetzen Hunde an, BÃ?rger stehn und
gaffen, Volk lÃ?uft zu, andere gehn gelassen auf und ab, andere treiben
allerlei Schalkspossen, schreien und jubilieren.)
Andere. Freiheit und Privilegien! Privilegien und Freiheit!
(Egmont tritt auf mit Begleitung.)
Egmont. Ruhig! Ruhig, Leute! Was gibt's? Ruhe! Bringt sie aus einander!
Zimmermeister. GnÃ?diger Herr, Ihr kommt wie ein Engel des Himmels.
Stille! seht ihr nichts? Graf Egmont! Dem Grafen Egmont Reverenz!
Egmont. Auch hier? Was fangt ihr an? BÃ?rger gegen BÃ?rger! HÃ?lt sogar
die NÃ?he unsrer kÃniglichen Regentin diesen Unsinn nicht zurÃ?ck? Geht
auseinander, geht an euer Gewerbe. Es ist ein Ã?bles Zeichen, wenn ihr an
Werktagen feiert. Was war's?
(Der Tumult stillt sich nach und nach, und alle stehen um ihn herum.)
Zimmermeister. Sie schlagen sich um ihre Privilegien.
Egmont. Die sie noch mutwillig zertrÃ?mmern werden - Und wer seid Ihr?
Ihr scheint mir rechtliche Leute.
Zimmermeister. Das ist unser Bestreben.
Egmont. Eures Zeichens?
Zimmermeister. Zimmermann und Zunftmeister.
Egmont. Und Ihr?
Soest. KrÃ?mer.
Egmont. Ihr?
Jetter. Schneider.
Egmont. Ich erinnere mich, Ihr habt mit an den Livreen fÃ?r meine Leute
gearbeitet. Euer Name ist Jetter.
Jetter. Gnade, daÃ? Ihr Euch dessen erinnert.
Egmont. Ich vergesse niemanden leicht, den ich einmal gesehen und
gesprochen habe. - Was an euch ist, Ruhe zu erhalten, Leute, das tut; ihr
seid Ã?bel genug angeschrieben. Reizt den KÃnig nicht mehr, er hat zuletzt
doch die Gewalt in HÃ?nden. Ein ordentlicher BÃ?rger, der sich ehrlich und
fleiÃ?ig nÃ?hrt, hat Ã?berall so viel Freiheit, als er braucht.
Zimmermeister. Ach wohl! das ist eben unsre Not! Die Tagdiebe, die
SÃffer, die Faulenzer, mit Euer Gnaden Verlaub, die stÃ?nkern aus
Langerweile und scharren aus Hunger nach Privilegien und lÃ?gen den
Neugierigen und LeichtglÃ?ubigen was vor, und um eine Kanne Bier bezahlt zu
kriegen, fangen sie HÃ?ndel an, die viel tausend Menschen unglÃ?cklich
machen. Das ist ihnen eben recht. Wir halten unsre HÃ?user und Kasten zu gut
verwahrt; da mÃchten sie gern uns mit FeuerbrÃ?nden davontreiben.
Egmont. Allen Beistand sollt ihr finden; es sind MaÃ?regeln genommen,
dem Ã?bel krÃ?ftig zu begegnen. Steht fest gegen die fremde Lehre und glaubt
nicht, durch Aufruhr befestige man Privilegien. Bleibt zu Hause; leidet
nicht, daÃ? sie sich auf den StraÃ?en rotten. VernÃ?nftige Leute kÃnnen
viel tun.
(Indessen hat sich der grÃÃ?te Haufe verlaufen.)
Zimmermeister. Danken Euer Exzellenz, danken fÃ?r die gute Meinung!
Alles, was an uns liegt. (Egmont ab.) Ein gnÃ?diger Herr! der echte
NiederlÃ?nder! Gar so nichts Spanisches.
Jetter. HÃ?tten wir ihn nur zum Regenten! Man folgt' ihm gerne.
Soest. Das lÃ?Ã?t der KÃnig wohl sein. Den Platz besetzt er immer mit
den Seinigen.
Jetter. Hast du das Kleid gesehen? Das war nach der neuesten Art, nach
spanischem Schnitt.
Zimmermeister. Ein schÃner Herr!
Jetter. Sein Hals wÃ?r' ein rechtes Fressen fÃ?r einen Scharfrichter.
Soest. Bist du toll? was kommt dir ein!
Jetter. Dumm genug, daÃ? einem so etwas einfÃ?llt. - Es ist mir nun so.
Wenn ich einen schÃnen langen Hals sehe, muÃ? ich gleich wider Willen
denken: der ist gut kÃpfen. - Die verfluchten Exekutionen! man kriegt sie
nicht aus dem Sinne. Wenn die Bursche schwimmen, und ich seh einen nackten
Buckel, gleich fallen sie mir zu Dutzenden ein, die ich habe mit Ruten
streichen sehen. Begegnet mir ein rechter Wanst, mein ich, den sÃ?h' ich
schon am Pfahl braten. Des Nachts im Traume zwickt mich's an allen Gliedern;
man wird eben keine Stunde froh. Jede Lustbarkeit, jeden SpaÃ? hab ich bald
vergessen; die fÃ?rchterlichen Gestalten sind mir wie vor die Stirne
gebrannt.
Egmonts Wohnung
SekretÃ?r an einem Tisch mit Papieren, er steht unruhig auf.
SekretÃ?r. Er kommt immer nicht! und ich warte schon zwei Stunden, die
Feder in der Hand,. die Papiere vor mir; und eben heute mÃcht' ich gern so
zeitig fort. Es brennt mir unter den Sohlen. Ich kann vor Ungeduld kaum
bleiben. Â'Sei auf die Stunde daÂ', befahl er mir noch, ehe er wegging; nun
kommt er nicht. Es ist so viel zu tun, ich werde vor Mitternacht nicht
fertig. Freilich sieht er einem auch einmal durch die Finger. Doch hielt'
ich's besser, wenn er strenge wÃ?re und lieÃ?e einen auch wieder zur
bestimmten Zeit. Man kÃnnte sich einrichten. Von der Regentin ist er nun
schon zwei Stunden weg; wer weiÃ?, wen er unterwegs angefaÃ?t hat.
(Egmont tritt auf.)
Egmont. Wie sieht's aus?
SekretÃ?r. Ich bin bereit, und drei Boten warten.
Egmont. Ich bin dir wohl zu lang geblieben; du machst ein verdrieÃ?lich
Gesicht.
SekretÃ?r. Euerm Befehl zu gehorchen, wart ich schon lange. Hier sind
die Papiere!
Egmont. Donna Elvira wird bÃse auf mich werden, wenn sie hÃrt, daÃ?
ich dich abgehalten habe.
SekretÃ?r. Ihr scherzt.
Egmont. Nein, nein. SchÃ?me dich nicht. Du zeigst einen guten
Geschmack. Sie ist hÃ?bsch; und es ist mir ganz recht, daÃ? du auf dem
Schlosse eine Freundin hast. Was sagen die Briefe?
SekretÃ?r. Mancherlei und wenig Erfreuliches.
Egmont. Da ist gut, daÃ? wir die Freude zu Hause haben und sie nicht
von auswÃ?rts zu erwarten brauchen. Ist viel gekommen?
SekretÃ?r. Genug, und drei Boten warten.
Egmont. Sag an! das NÃtigste!
SekretÃ?r. Es ist alles nÃtig.
Egmont. Eins nach dem andern, nur geschwind!
SekretÃ?r. Hauptmann Breda schickt die Relation, was weiter in Gent und
der umliegenden Gegend vorgefallen. Der Tumult hat sich meistens gelegt. -
Egmont. Er schreibt wohl noch von einzelnen Ungezogenheiten und
TollkÃ?hnheiten?
SekretÃ?r. Ja! Es kommt noch manches vor.
Egmont. Verschone mich damit.
SekretÃ?r. Noch sechs sind eingezogen worden, die bei Wervicq das
Marienbild umgerissen haben. Er fragt an, ob er sie auch wie die andern soll
hÃ?ngen lassen?
Egmont. Ich bin des HÃ?ngens mÃ?de. Man soll sie durchpeitschen, und
sie mÃgen gehen.
SekretÃ?r. Es sind zwei Weiber dabei; soll er die auch durchpeitschen?
Egmont. Die mag er verwarnen und laufenlassen.
SekretÃ?r. Brink von Bredas Kompanie will heiraten. Der Hauptmann
hofft, Ihr werdet's ihm abschlagen. Es sind so viele Weiber bei dem Haufen,
schreibt er, daÃ?, wenn wir ausziehen, es keinem Soldatenmarsch, sondern
einem Zigeunergeschleppe Ã?hnlich sehen wird.
Egmont. Dem mag's noch hingehen! Es ist ein schÃner junger Kerl; er
bat mich noch gar dringend, eh' ich wegging. Aber nun soll's keinem mehr
gestattet sein, so leid mir's tut, den armen Teufeln, die ohnedies geplagt
genug sind, ihren besten SpaÃ? zu versagen.
SekretÃ?r. Zwei von Euern Leuten, Seter und Hart, haben einem MÃ?del,
einer Wirtstochter, Ã?bel mitgespielt. Sie kriegten sie allein, und die
Dirne konnte sich ihrer nicht erwehren.
Egmont. Wenn es ein ehrlich MÃ?dchen ist, und sie haben Gewalt
gebraucht, so soll er sie drei Tage hintereinander mit Ruten streichen
lassen, und wenn sie etwas besitzen, soll er so viel davon einziehen, daÃ?
dem MÃ?dchen eine Ausstattung gereicht werden kann.
SekretÃ?r. Einer von den fremden Lehrern ist heimlich durch Comines
gegangen und entdeckt worden. Er schwÃrt, er sei im Begriff, nach
Frankreich zu gehen. Nach dem Befehl soll er enthauptet werden.
Egmont. Sie sollen ihn in der Stille an die Grenze bringen und ihm
versichern, daÃ? er das zweitemal nicht so wegkommt.
SekretÃ?r. Ein Brief von Euerm Einnehmer. Er schreibt: es komme wenig
Geld ein, er kÃnne auf die Woche die verlangte Summe schwerlich schicken;
der Tumult habe in alles die grÃÃ?te Konfusion gebracht.
Egmont. Das Geld muÃ? herbei! er mag sehen, wie er es zusammenbringt.
SekretÃ?r. Er sagt, er werde sein mÃglichstes tun und wolle endlich
den Raymond, der Euch so lange schuldig ist, verklagen und in Verhaft nehmen
lassen.
Egmont. Der hat ja versprochen zu bezahlen.
SekretÃ?r. Das letztemal setzte er sich selbst vierzehn Tage.
Egmont. So gebe man ihm noch vierzehn Tage; und dann mag er gegen ihn
verfahren.
SekretÃ?r. Ihr tut wohl. Es ist nicht UnvermÃgen; es ist bÃser Wille.
Er macht gewiÃ? Ernst, wenn er sieht, Ihr spaÃ?t nicht. - Ferner sagt der
Einnehmer: er wolle den alten Soldaten, den Witwen und einigen andern, denen
Ihr Gnadengehalte gebt, die GebÃ?hr einen halben Monat zurÃ?ckhalten; man
kÃnne indessen Rat schaffen; sie mÃchten sich einrichten.
Egmont. Was ist da einzurichten? Die Leute brauchen das Geld nÃtiger
als ich. Das soll er bleibenlassen.
SekretÃ?r. Woher befehlt Ihr denn, daÃ? er das Geld nehmen soll?
Egmont. Darauf mag er denken; es ist ihm im vorigen Briefe schon
gesagt.
SekretÃ?r. Deswegen tut er die VorschlÃ?ge.
Egmont. Die taugen nicht, er soll auf was anders sinnen. Er soll
VorschlÃ?ge tun, die annehmlich sind, und vor allem soll er das Geld
schaffen.
SekretÃ?r. Ich habe den Brief des Grafen Oliva wieder hiehergelegt.
Verzeiht, daÃ? ich Euch daran erinnere. Der alte Herr verdient vor allen
andern eine ausfÃ?hrliche Antwort. Ihr wolltet ihm selbst schreiben. GewiÃ?,
er liebt Euch wie ein Vater.
Egmont. Ich komme nicht dazu. Und unter vielem VerhaÃ?ten ist mir das
Schreiben das VerhaÃ?teste. Du machst meine Hand ja so gut nach, schreib in
meinem Namen. Ich erwarte Oranien. Ich komme nicht dazu; und wÃ?nschte
selbst, daÃ? ihm auf seine Bedenklichkeiten was recht Beruhigendes
geschrieben wÃ?rde.
SekretÃ?r. Sagt mir nur ungefÃ?hr Eure Meinung; ich will die Antwort
schon aufsetzen und sie Euch vorlegen. Geschrieben soll sie werden, daÃ? sie
vor Gericht fÃ?r Eure Hand gelten kann.
Egmont. Gib mir den Brief. (Nachdem er hineingesehen.) Guter ehrlicher
Alter! Warst du in deiner Jugend auch wohl so bedÃ?chtig? Erstiegst du nie
einen Wall? Bliebst du in der Schlacht, wo es die Klugheit anrÃ?t, hinten? -
Der treue, sorgliche! Er will mein Leben und mein GlÃ?ck und fÃ?hlt nicht,
daÃ? der schon tot ist, der um seiner Sicherheit willen lebt. - Schreib ihm,
er mÃge unbesorgt sein; ich handle, wie ich soll, ich werde mich schon
wahren: sein Ansehn bei Hofe soll er zu meinen Gunsten brauchen und meines
vollkommnen Dankes gewiÃ? sein.
SekretÃ?r. Nichts weiter? O er erwartet mehr.
Egmont. Was soll ich mehr sagen? Willst du mehr Worte machen, so
steht's bei dir. Es dreht sich immer um den einen Punkt: ich soll leben, wie
ich nicht leben mag. DaÃ? ich frÃhlich bin, die Sachen leicht nehme, rasch
lebe, das ist mein GlÃ?ck; und ich vertausch es nicht gegen die Sicherheit
eines TotengewÃlbes. Ich habe nun zu der spanischen Lebensart nicht einen
Blutstropfen in meinen Adern; nicht Lust, meine Schritte nach der neuen
bedÃ?chtigen Hofkadenz zu mustern. Leb ich nur, um aufs Leben zu denken?
Soll ich den gegenwÃ?rtigen Augenblick nicht genieÃ?en, damit ich des
folgenden gewiÃ? sei? Und diesen wieder mit Sorgen und Grillen verzehren?
SekretÃ?r. Ich bitt Euch, Herr; seid nicht so harsch und rauh gegen den
guten Mann. Ihr seid ja sonst gegen alle freundlich. Sagt mir ein gefÃ?llig
Wort, das den edeln Freund beruhige. Seht, wie sorgfÃ?ltig er ist, wie leis
er Euch berÃ?hrt.
Egmont. Und doch berÃ?hrt er immer diese Saite. Er weiÃ? von alters
her, wie verhaÃ?t mir diese Ermahnungen sind; sie machen nur irre, sie
helfen nichts. Und wenn ich ein Nachtwandler wÃ?re und auf dem gefÃ?hrlichen
Gipfel eines Hauses spazierte, ist es freundschaftlich, mich beim Namen zu
rufen und mich zu warnen, zu wecken und zu tÃten? LaÃ?t jeden seines Pfades
gehn; er mag sich wahren.
SekretÃ?r. Es ziemt Euch, nicht zu sorgen, aber wer Euch kennt und
liebt -
Egmont (in den Brief sehend). Da bringt er wieder die alten MÃ?rchen
auf, was wir an einem Abend in leichtem Ã?bermut der Geselligkeit und des
Weins getrieben und gesprochen; und was man daraus fÃ?r Folgen und Beweise
durchs ganze KÃnigreich gezogen und geschleppt habe. - Nun gut! wir haben
Schellenkappen, Narrenkutten auf unsrer Diener Ã'rmel sticken lassen, und
haben diese tolle Zierde nachher in ein BÃ?ndel Pfeile verwandelt; ein noch
gefÃ?hrlicher Symbol fÃ?r alle, die deuten wollen, wo nichts zu deuten ist.
Wir haben die und jene Torheit in einem lustigen Augenblick empfangen gleich
und geboren; sind schuld, daÃ? eine ganze edle Schar mit BettelsÃ?cken und
mit einem selbstgewÃ?hlten Unnamen dem KÃnige seine Pflicht mit spottender
Demut ins GedÃ?chtnis rief; sind schuld - was ist's nun weiter? Ist ein
Fastnachtsspiel gleich Hochverrat? Sind uns die kurzen, bunten Lumpen zu
miÃ?gÃnnen, die ein jugendlicher Mut, eine angefrischte Phantasie um unsers
Lebens arme BlÃÃ?e hÃ?ngen mag? Wenn ihr das Leben gar zu ernsthaft nehmt,
was ist denn dran? Wenn uns der Morgen nicht zu neuen Freuden weckt, am
Abend uns keine Lust zu hoffen Ã?brigbleibt: ist's wohl des An- und
Ausziehens wert? Scheint mir die Sonne heut, um das zu Ã?berlegen, was
gestern war? und um zu raten, zu verbinden, was nicht zu erraten, nicht zu
verbinden ist, das Schicksal eines kommenden Tages? Schenke mir diese
Betrachtungen; wir wollen sie SchÃ?lern und HÃflingen Ã?berlassen. Die
mÃgen sinnen und aussinnen, wandeln und schleichen, gelangen, wohin sie
kÃnnen, erschleichen, was sie kÃnnen. - Kannst du von allem diesem etwas
brauchen, daÃ? deine Epistel kein Buch wird, so ist mir's recht. Dem guten
Alten scheint alles viel zu wichtig. So drÃ?ckt ein Freund, der lang unsre
Hand gehalten, sie stÃ?rker noch einmal, wenn er sie lassen will.
SekretÃ?r. Verzeiht mir, es wird dem FuÃ?gÃ?nger schwindlig, der einen
Mann, mit rasselnder Eile daherfahren sieht.
Egmont. Kind! Kind! nicht weiter! Wie von unsichtbaren Geistern
gepeitscht, gehen die Sonnenpferde der Zeit mit unsers Schicksals leichtem
Wagen durch; und uns bleibt nichts, als, mutig gefaÃ?t, die ZÃ?gel
festzuhalten und bald rechts bald links, vom Steine hier vom Sturze da, die
RÃ?der wegzulenken. Wohin es geht, wer weiÃ? es? Erinnert er sich doch kaum,
woher er kam.
SekretÃ?r. Herr! Herr!
Egmont. Ich stehe hoch und kann und muÃ? noch hÃher steigen; ich
fÃ?hle mir Hoffnung, Mut und Kraft. Noch hab ich meines Wachstums Gipfel
nicht erreicht; und steh ich droben einst, so will ich fest, nicht
Ã?ngstlich stehn. Soll ich fallen, so mag ein Donnerschlag, ein Sturmwind,
ja ein selbst verfehlter Schritt mich abwÃ?rts in die Tiefe stÃ?rzen; da
lieg ich mit viel Tausenden. Ich habe nie verschmÃ?ht, mit meinen guten
Kriegsgesellen um kleinen Gewinst das blutige Los zu werfen; und sollt' ich
knickern, wenn's um den ganzen freien Wert des Lebens geht?
SekretÃ?r. O Herr! Ihr wiÃ?t nicht, was fÃ?r Worte Ihr sprecht! Gott
erhalt' Euch!
Egmont. Nimm deine Papiere zusammen. Oranien kommt. Fertige aus, was am
nÃtigsten ist, daÃ? die Boten fortkommen, eh die Tore geschlossen werden.
Das andere hat Zeit. Den Brief an den Grafen laÃ? bis morgen; versÃ?ume
nicht, Elviren zu besuchen, und grÃ?Ã?e sie von mir. - Horche, wie sich die
Regentin befindet; sie soll nicht wohl sein, ob sie's gleich verbirgt.
(SekretÃ?r ab.)
(Oranien kommt.)
Egmont. Willkommen, Oranien. Ihr scheint mir nicht ganz frei.
Oranien. Was sagt Ihr zu unsrer Unterhaltung mit der Regentin?
Egmont. Ich fand in ihrer Art, uns aufzunehmen, nichts
AuÃ?erordentliches. Ich habe sie schon mehr so gesehen. Sie schien mir nicht
ganz wohl.
Oranien. Merktet Ihr nicht, daÃ? sie zurÃ?ckhaltender war? Erst wollte
sie unser Betragen bei dem neuen Aufruhr des PÃbels gelassen billigen;
nachher merkte sie an, was sich doch auch fÃ?r ein falsches Licht darauf
werfen lasse; wich dann mit dem GesprÃ?che zu ihrem alten gewÃhnlichen
Diskurs: daÃ? man ihre liebevolle gute Art, ihre Freundschaft zu uns
NiederlÃ?ndern, nie genug erkannt, zu leicht behandelt habe, daÃ? nichts
einen erwÃ?nschten Ausgang nehmen wolle, daÃ? sie am Ende wohl mÃ?de werden,
der KÃnig sich zu andern MaÃ?regeln entschlieÃ?en mÃ?sse. Habt Ihr das
gehÃrt?
Egmont. Nicht alles; ich dachte unterdessen an was anders. Sie ist ein
Weib, guter Oranien, und die mÃchten immer gern, daÃ? sich alles unter ihr
sanftes Joch gelassen schmiegte, daÃ? jeder Herkules die LÃwenhaut ablegte
und ihren Kunkelhof vermehrte; daÃ?, weil sie friedlich gesinnt sind, die
GÃ?rung, die ein Volk ergreift, der Sturm, den mÃ?chtige Nebenbuhler
gegeneinander erregen, sich durch ein freundlich Wort beilegen lieÃ?e und
die widrigsten Elemente sich zu ihren FÃ?Ã?en in sanfter Eintracht
vereinigten. Das ist ihr Fall; und da sie es dahin nicht bringen kann, so
hat sie keinen Weg, als launisch zu werden, sich Ã?ber Undankbarkeit,
Unweisheit zu beklagen, mit schrecklichen Aussichten in die Zukunft zu
drohen, und zu drohen - daÃ? sie fortgehn will.
Oranien. Glaubt Ihr dasmal nicht, daÃ? sie ihre Drohung erfÃ?llt?
Egmont. Nimmermehr! Wie oft habe ich sie schon reisefertig gesehn! Wo
will sie denn hin? Hier Statthalterin, KÃnigin; glaubst du, daÃ? sie es
unterhalten wird, am Hofe ihres Bruders unbedeutende Tage abzuhaspeln? oder
nach Italien zu gehen und sich in alten FamilienverhÃ?ltnissen
herumzuschleppen?
Oranien. Man hÃ?lt sie dieser EntschlieÃ?ung nicht fÃ?hig, weil Ihr sie
habt zaudern, weil Ihr sie habt zurÃ?cktreten sehn; dennoch liegt's wohl in
ihr; neue UmstÃ?nde treiben sie zu dem lang verzÃgerten EntschluÃ?. Wenn
sie ginge? und der KÃnig schickte einen andern?
Egmont. Nun, der wÃ?rde kommen, und wÃ?rde eben auch zu tun finden. Mit
groÃ?en Planen, Projekten und Gedanken wÃ?rde er kommen, wie er alles
zurechtrÃ?cken, unterwerfen und zusammenhalten wolle; und wÃ?rde heut mit
dieser Kleinigkeit, morgen mit einer andern zu tun haben, Ã?bermorgen jene
Hindernis finden, einen Monat mit EntwÃ?rfen, einen andern mit VerdruÃ?
Ã?ber fehlgeschlagne Unternehmen, ein halb Jahr in Sorgen Ã?ber eine einzige
Provinz zubringen. Auch ihm wird die Zeit vergehn, der Kopf schwindeln und
die Dinge wie zuvor ihren Gang halten, daÃ? er, statt weite Meere nach einer
vorgezognen Linie zu durchsegeln, Gott danken mag, wenn er sein Schiff in
diesem Sturme vom Felsen hÃ?lt.
Oranien. Wenn man nun aber dem KÃnig zu einem Versuch riete?
Egmont. Der wÃ?re?
Oranien. Zu sehen, was der Rumpf ohne Haupt anfinge.
Egmont. Wie?
Oranien. Egmont, ich trage viele Jahre her alle unsere VerhÃ?ltnisse am
Herzen, ich stehe immer wie Ã?ber einem Schachspiele und halte keinen Zug
des Gegners fÃ?r unbedeutend; und wie mÃ?Ã?ige Menschen mit der grÃÃ?ten
Sorgfalt sich um die Geheimnisse der Natur bekÃ?mmern, so halt ich es fÃ?r
Pflicht, fÃ?r Beruf eines FÃ?rsten, die Gesinnungen, die RatschlÃ?ge aller
Parteien zu kennen. Ich habe Ursach', einen Ausbruch zu befÃ?rchten. Der
KÃnig hat lange nach gewissen GrundsÃ?tzen gehandelt; er sieht, daÃ? er
damit nicht auskommt; was ist wahrscheinlicher, als daÃ? er es auf einem
andern Wege versucht?
Egmont. Ich glaub's nicht. Wenn man alt wird und hat so viel versucht,
und es will in der Welt nie zur Ordnung kommen, muÃ? man es endlich wohl
genug haben.
Oranien. Eins hat er noch nicht versucht.
Egmont. Nun?
Oranien. Das Volk zu schonen und die FÃ?rsten zu verderben.
Egmont. Wie viele haben das schon lange gefÃ?rchtet! Es ist keine
Sorge.
Oranien. Sonst war's Sorge; nach und nach ist mir's Vermutung, zuletzt
GewiÃ?heit geworden.
Egmont. Und hat der KÃnig treuere Diener als uns?
Oranien. Wir dienen ihm auf unsere Art; und unter einander kÃnnen wir
gestehen, daÃ? wir des KÃnigs Rechte und die unsrigen wohl abzuwÃ?gen
wissen.
Egmont. Wer tut's nicht? Wir sind ihm untertan und gewÃ?rtig in dem,
was ihm zukommt.
Oranien. Wenn er sich nun aber mehr zuschriebe und Treulosigkeit
nennte, was wir heiÃ?en: auf unsre Rechte halten?
Egmont. Wir werden uns verteidigen kÃnnen. Er rufe die Ritter des
Vlieses zusammen, wir wollen uns richten lassen.
Oranien. Und was wÃ?re ein Urteil vor der Untersuchung? eine Strafe vor
dem Urteil?
Egmont. Eine Ungerechtigkeit, der sich Philipp nie schuldig machen
wird; und eine Torheit, die ich ihm und seinen RÃ?ten nicht zutraue.
Oranien. Und wenn sie nun ungerecht und tÃricht wÃ?ren?
Egmont. Nein, Oranien, es ist nicht mÃglich. Wer sollte wagen, Hand an
uns zu legen? - Uns gefangenzunehmen, wÃ?r' ein verlornes und fruchtloses
Unternehmen. Nein, sie wagen nicht, das Panier der Tyrannei so hoch
aufzustecken. Der Windhauch, der diese Nachricht Ã?bers Land brÃ?chte,
wÃ?rde ein ungeheures Feuer zusammentreiben. Und wohinaus wollten sie?
Richten und verdammen kann nicht der KÃnig allein; und wollten sie
meuchelmÃrderisch an unser Leben? - Sie kÃnnen nicht wollen. Ein
schrecklicher Bund wÃ?rde in einem Augenblick das Volk vereinigen. HaÃ? und
ewige Trennung vom spanischen Namen wÃ?rde sich gewaltsam erklÃ?ren.
Oranien. Die Flamme wÃ?tete dann Ã?ber unserm Grabe, und das Blut
unsrer Feinde flÃsse zum leeren SÃ?hnopfer. LaÃ? uns denken, Egmont.
Egmont. Wie sollten sie aber?
Oranien. Alba ist unterwegs.
Egmont. Ich glaub's nicht.
Oranien. Ich weiÃ? es.
Egmont. Die Regentin wollte nichts wissen.
Oranien. Um desto mehr bin ich Ã?berzeugt. Die Regentin wird ihm Platz
machen. Seinen Mordsinn kenn ich, und ein Heer bringt er mit.
Egmont. Aufs neue die Provinzen zu belÃ?stigen? Das Volk wird hÃchst
schwierig werden.
Oranien. Man wird sich der HÃ?upter versichern.
Egmont. Nein! Nein!
Oranien. LaÃ? uns gehen, jeder in seine Provinz. Dort wollen wir uns
verstÃ?rken; mit offner Gewalt fÃ?ngt er nicht an.
Egmont. MÃ?ssen wir ihn nicht begrÃ?Ã?en, wenn er kommt?
Oranien. Wir zÃgern.
Egmont. Und wenn er uns im Namen des KÃnigs bei seiner Ankunft
fordert?
Oranien. Suchen wir AusflÃ?chte.
Egmont. Und wenn er dringt?
Oranien. Entschuldigen wir uns.
Egmont. Und wenn er drauf besteht?
Oranien. Kommen wir um so weniger.
Egmont. Und der Krieg ist erklÃ?rt, und wir sind die Rebellen. Oranien,
laÃ? dich nicht durch Klugheit verfÃ?hren; ich weiÃ?, daÃ? Furcht dich nicht
weichen macht. Bedenke den Schritt.
Oranien. Ich hab ihn bedacht.
Egmont. Bedenke, wenn du dich irrst, woran du schuld bist; an dem
verderblichsten Kriege, der je ein Land verwÃ?stet hat. Dein Weigern ist das
Signal, das die Provinzen mit einmal zu den Waffen ruft, das jede
Grausamkeit rechtfertigt, wozu Spanien von jeher nur gern den Vorwand
gehascht hat. Was wir lange mÃ?hselig gestillt haben, wirst du mit einem
Winke zur schrecklichsten Verwirrung aufhetzen. Denk an die StÃ?dte, die
Edeln, das Volk, an die Handlung, den Feldbau, die Gewerbe! und denke die
VerwÃ?stung, den Mord! - Ruhig sieht der Soldat wohl im Felde seinen
Kameraden neben sich hinfallen; aber den FluÃ? herunter werden dir die
Leichen der BÃ?rger, der Kinder, der Jungfrauen entgegenschwimmen, daÃ? du
mit Entsetzen dastehst und nicht mehr weiÃ?t, wessen Sache du verteidigst,
da die zugrunde gehen, fÃ?r deren Freiheit du die Waffen ergriffst. Und wie
wird dir's sein, wenn du dir still sagen muÃ?t: Â'FÃ?r meine Sicherheit
ergriff ich sie.Â'
Oranien. Wir sind nicht einzelne Menschen, Egmont. Ziemt es sich, uns
fÃ?r Tausende hinzugeben, so ziemt es sich auch, uns fÃ?r Tausende zu
schonen.
Egmont. Wer sich schont, muÃ? sich selbst verdÃ?chtig werden.
Oranien. Wer sich kennt, kann sicher vor- und rÃ?ckwÃ?rts gehen.
Egmont. Das Ã?bel, das du fÃ?rchtest, wird gewiÃ? durch deine Tat.
Oranien. Es ist klug und kÃ?hn, dem unvermeidlichen Ã?bel
entgegenzugehn.
Egmont. Bei so groÃ?er Gefahr kommt die leichteste Hoffnung in
Anschlag.
Oranien. Wir haben nicht fÃ?r den leisesten FuÃ?tritt Platz mehr; der
Abgrund liegt hart vor uns.
Egmont. Ist des KÃnigs Gunst ein so schmaler Grund?
Oranien. So schmal nicht, aber schlÃ?pfrig.
Egmont. Bei Gott! man tut ihm Unrecht. Ich mag nicht leiden, daÃ? man
unwÃ?rdig von ihm denkt! Er ist Karls Sohn und keiner Niedrigkeit fÃ?hig.
Oranien. Die KÃnige tun nichts Niedriges.
Egmont. Man sollte ihn kennenlernen.
Oranien. Eben diese Kenntnis rÃ?t uns, eine gefÃ?hrliche Probe nicht
abzuwarten.
Egmont. Keine Probe ist gefÃ?hrlich, zu der man Mut hat.
Oranien. Du wirst aufgebracht, Egmont.
Egmont. Ich muÃ? mit meinen Augen sehen.
Oranien. O sÃ?hst du diesmal nur mit den meinigen! Freund, weil du sie
offen hast, glaubst du, du siehst. Ich gehe! Warte du Albas Ankunft ab, und
Gott sei bei dir! Vielleicht rettet dich mein Weigern. Vielleicht daÃ? der
Drache nichts zu fangen glaubt, wenn er uns nicht beide auf einmal
verschlingt. Vielleicht zÃgert er, um seinen Anschlag sicherer
auszufÃ?hren; und vielleicht siehest du indes die Sache in ihrer wahren
Gestalt. Aber dann schnell! schnell! Rette! rette dich! - Leb wohl! - LaÃ?
deiner Aufmerksamkeit nichts entgehen: wieviel Mannschaft er mitbringt, wie
er die Stadt besetzt, was fÃ?r Macht die Regentin behÃ?lt, wie deine Freunde
gefaÃ?t sind. Gib mir Nachricht - - - Egmont -
Egmont. Was willst du?
Oranien (ihn bei der Hand fassend). LaÃ? dich Ã?berreden! Geh mit!
Egmont. Wie? TrÃ?nen, Oranien?
Oranien. Einen Verlornen zu beweinen, ist auch mÃ?nnlich.
Egmont. Du wÃ?hnst mich verloren?
Oranien. Du bist's. Bedenke! Dir bleibt nur eine kurze Frist. Leb wohl!
(Ab.)
Egmont (allein). DaÃ? andrer Menschen Gedanken solchen EinfluÃ? auf uns
haben! Mir wÃ?r' es nie eingekommen; und dieser Mann trÃ?gt seine
Sorglichkeit in mich herÃ?ber. - Weg! - Das ist ein fremder Tropfen in
meinem Blute. Gute Natur, wirf ihn wieder heraus! Und von meiner Stirne die
sinnenden Runzeln wegzubaden, gibt es ja wohl noch ein freundlich Mittel.
Dritter Aufzug
Palast der Regentin
Margarete von Parma.
Margarete. Ich hÃ?tte mir's vermuten sollen. Ha! Wenn man in MÃ?he und
Arbeit vor sich hinlebt, denkt man immer, man tue das MÃglichste; und der
von weitem zusieht und befiehlt, glaubt, er verlange nur das MÃgliche. - O
die KÃnige! - Ich hÃ?tte nicht geglaubt, daÃ? es mich so verdrieÃ?en
kÃnnte. Es ist so schÃn zu herrschen! - Und abzudanken? - Ich weiÃ? nicht,
wie mein Vater es konnte; aber ich will es auch.
(Machiavell erscheint im Grunde.)
Regentin. Tretet nÃ?her, Machiavell. Ich denke hier Ã?ber den Brief
meines Bruders.
Machiavell. Ich darf wissen, was er enthÃ?lt?
Regentin. So viel zÃ?rtliche Aufmerksamkeit fÃ?r mich als Sorgfalt fÃ?r
seine Staaten. Er rÃ?hmt die Standhaftigkeit, den FleiÃ? und die Treue,
womit ich bisher fÃ?r die Rechte seiner MajestÃ?t in diesen Landen gewacht
habe. Er bedauert mich, daÃ? mir das unbÃ?ndige Volk so viel zu schaffen
mache. Er ist von der Tiefe meiner Einsichten so vollkommen Ã?berzeugt, mit
der Klugheit meines Betragens so auÃ?erordentlich zufrieden, daÃ? ich fast
sagen muÃ?, der Brief ist fÃ?r einen KÃnig zu schÃn geschrieben, fÃ?r
einen Bruder gewiÃ?.
Machiavell. Es ist nicht das erstemal, daÃ? er Euch seine gerechte
Zufriedenheit bezeigt.
Regentin. Aber das erstemal, daÃ? es rednerische Figur ist.
Machiavell. Ich versteh Euch nicht.
Regentin. Ihr werdet. - Denn er meint, nach diesem Eingange: ohne
Mannschaft, ohne eine kleine Armee werde ich immer hier eine Ã?ble Figur
spielen! Wir hÃ?tten, sagt er, unrecht getan, auf die Klagen der Einwohner
unsre Soldaten aus den Provinzen zu ziehen. Eine Besatzung, meint er, die
dem BÃ?rger auf dem Nacken lastet, verbiete ihm durch ihre Schwere, groÃ?e
SprÃ?nge zu machen.
Machiavell. Es wÃ?rde die GemÃ?ter Ã?uÃ?erst aufbringen.
Regentin. Der KÃnig meint aber, hÃrst du? - Er meint, daÃ? ein
tÃ?chtiger General, so einer, der gar keine RÃ?son annimmt, gar bald mit
Volk und Adel, BÃ?rgern und Bauern fertig werden kÃnne; - und schickt
deswegen mit einem starken Heere - den Herzog von Alba.
Machiavell. Alba?
Regentin. Du wunderst dich?
Machiavell. Ihr sagt: er schickt. Er fragt wohl, ob er schicken soll?
Regentin. Der KÃnig fragt nicht; er schickt.
Machiavell. So werdet Ihr einen erfahrnen Krieger in Euren Diensten
haben.
Regentin. In meinen Diensten? Rede grad heraus, Machiavell.
Machiavell. Ich mÃcht' Euch nicht vorgreifen.
Regentin. Und ich mÃchte mich verstellen! Es ist mir empfindlich, sehr
empfindlich. Ich wollte lieber, mein Bruder sagte, wie er's denkt, als daÃ?
er fÃrmliche Episteln unterschreibt, die ein StaatssekretÃ?r aufsetzt.
Machiavell. Sollte man nicht einsehen? -
Regentin. Und ich kenne sie inwendig und auswendig. Sie mÃchten's gern
gesÃ?ubert und gekehrt haben; und weil sie selbst nicht zugreifen, so findet
ein jeder Vertrauen, der mit dem Besen in der Hand kommt. O mir ist's, als
wenn ich den KÃnig und sein Konseil auf dieser Tapete gewirkt sÃ?he.
Machiavell. So lebhaft?
Regentin. Es fehlt kein Zug. Es sind gute Menschen drunter. Der
ehrliche Rodrich, der so erfahren und mÃ?Ã?ig ist, nicht zu hoch will, und
doch nichts fallen lÃ?Ã?t, der gerade Alonzo, der fleiÃ?ige Freneda, der
feste Las Vargas, und noch einige, die mitgehen, wenn die gute Partei
mÃ?chtig wird. Da sitzt aber der hohlÃ?ugige Toledaner mit der ehrnen Stirne
und dem tiefen Feuerblick, murmelt zwischen den ZÃ?hnen von WeibergÃ?te,
unzeitigem Nachgeben und daÃ? Frauen wohl von zugerittenen Pferden sich
tragen lassen, selbst aber schlechte Stallmeister sind, und solche SpÃ?Ã?e,
die ich ehemals von den politischen Herren habe mit durchhÃren mÃ?ssen.
Machiavell. Ihr habt zu dem GemÃ?lde einen guten Farbentopf gewÃ?hlt.
Regentin. Gesteht nur, Machiavell: In meiner ganzen Schattierung, aus
der ich allenfalls malen kÃnnte, ist kein Ton so gelbbraun-gallenschwarz
wie Albas Gesichtsfarbe und als die Farbe, aus der er malt. Jeder ist bei
ihm gleich ein GotteslÃ?sterer, ein MajestÃ?tsschÃ?nder: denn aus diesem
Kapitel kann man sie alle sogleich rÃ?dern, pfÃ?hlen, vierteilen und
verbrennen. - Das Gute, was ich hier getan habe, sieht gewiÃ? in der Ferne
wie nichts aus, eben weil's gut ist. - Da hÃ?ngt er sich an jeden Mutwillen,
der vorbei ist, erinnert an jede Unruhe, die gestillt ist; und es wird dem
KÃnige vor den Augen so voll Meuterei, Aufruhr und TollkÃ?hnheit, daÃ? er
sich vorstellt, sie frÃ?Ã?en sich hier einander auf, wenn eine flÃ?chtig
vorÃ?bergehende Ungezogenheit eines rohen Volks bei uns lange vergessen ist.
Da faÃ?t er einen recht herzlichen HaÃ? auf die armen Leute; sie kommen ihm
abscheulich, ja wie Tiere und Ungeheuer vor; er sieht sich nach Feuer und
Schwert um und wÃ?hnt, so bÃ?ndige man Menschen.
Machiavell. Ihr scheint mir zu heftig, Ihr nehmt die Sache zu hoch.
Bleibt Ihr nicht Regentin?
Regentin. Das kenn ich. Er wird eine Instruktion bringen. - Ich bin in
StaatsgeschÃ?ften alt genug geworden, um zu wissen, wie man einen
verdrÃ?ngt, ohne ihm seine Bestallung zu nehmen. - Erst wird er eine
Instruktion bringen, die wird unbestimmt und schief sein; er wird um sich
greifen, denn er hat die Gewalt; und wenn ich mich beklage, wird er eine
geheime Instruktion vorschÃ?tzen; wenn ich sie sehen will, wird er mich
herumziehen; wenn ich drauf bestehe, wird er mir ein Papier zeigen, das ganz
was anders enthÃ?lt; und wenn ich mich da nicht beruhige, gar nicht mehr
tun, als wenn ich redete. - Indes wird er, was ich fÃ?rchte, getan, und was
ich wÃ?nsche, weit abwÃ?rts gelenkt haben.
Machiavell. Ich wollt', ich kÃnnt' Euch widersprechen.
Regentin. Was ich mit unsÃ?glicher Geduld beruhigte, wird er durch
HÃ?rte und Grausamkeiten wieder aufhetzen; ich werde vor meinen Augen mein
Werk verloren sehen und Ã?berdies noch seine Schuld zu tragen haben.
Machiavell. Erwarten's Eure Hoheit.
Regentin. So viel Gewalt hab ich Ã?ber mich, um stille zu sein. LaÃ?
ihn kommen; ich werde ihm mit der besten Art Platz machen, eh' er mich
verdrÃ?ngt.
Machiavell. So rasch diesen wichtigen Schritt?
Regentin. Schwerer, als du denkst. Wer zu herrschen gewohnt ist, wer's
hergebracht hat, daÃ? jeden Tag das Schicksal von Tausenden in seiner Hand
liegt, steigt vom Throne wie ins Grab. Aber besser so, als einem Gespenste
gleich unter den Lebenden bleiben und mit hohlem Ansehn einen Platz
behaupten wollen, den ihm ein anderer abgeerbt hat und nun besitzt und
genieÃ?t.
KlÃ?rchens Wohnung
KlÃ?rchen. Mutter.
Mutter. So eine Liebe wie Brackenburgs hab ich nie gesehen; ich
glaubte, sie sei nur in Heldengeschichten.
KlÃ?rchen (geht in der Stube auf und ab, ein Lied zwischen den Lippen
summend).
GlÃ?cklich allein
Ist die Seele, die liebt.
Mutter. Er vermutet deinen Umgang mit Egmont; und ich glaube, wenn du
ihm ein wenig freundlich tÃ?test, wenn du wolltest, er heiratete dich noch.
KlÃ?rchen (singt).
Freudvoll
Und leidvoll,
Gedankenvoll sein,
Langen
Und bangen
In schwebender Pein,
Himmelhoch jauchzend,
Zum Tode betrÃ?bt -
GlÃ?cklich allein
Ist die Seele, die liebt.
Mutter. LaÃ? das Heiopopeia.
KlÃ?rchen. Scheltet mir's nicht; es ist ein krÃ?ftig Lied. Hab ich doch
schon manchmal ein groÃ?es Kind damit schlafen gewiegt.
Mutter. Du hast doch nichts im Kopfe als deine Liebe. VergÃ?Ã?est du
nur nicht alles Ã?ber das eine. Den Brackenburg solltest du in Ehren halten,
sag ich dir. Er kann dich noch einmal glÃ?cklich machen.
KlÃ?rchen. Er?
Mutter. O ja! es kommt eine Zeit! - Ihr Kinder seht nichts voraus und
Ã?berhorcht unsre Erfahrungen. Die Jugend und die schÃne Liebe, alles hat
sein Ende; und es kommt eine Zeit, wo man Gott dankt, wenn man irgendwo
unterkriechen kann.
KlÃ?rchen (schaudert, schweigt und fÃ?hrt auf). Mutter, laÃ?t die Zeit
kommen wie den Tod. Dran vorzudenken ist schreckhaft! - Und wenn er kommt!
Wenn wir mÃ?ssen - dann - wollen wir uns gebÃ?rden, wie wir kÃnnen -
Egmont, ich dich entbehren! - (In TrÃ?nen.) Nein, es ist nicht mÃglich,
nicht mÃglich.
Egmont (in einem Reitermantel, den Hut ins Gesicht gedrÃ?ckt).
KlÃ?rchen!
KlÃ?rchen (tut einen Schrei, fÃ?hrt zurÃ?ck). Egmont! (Sie eilt auf ihn
zu.) Egmont! (Sie umarmt ihn und ruht an ihm.) O du Guter, Lieber, SÃ?Ã?er!
Kommst du? bist du da!
Egmont. Guten Abend, Mutter.
Mutter. Gott grÃ?Ã?' Euch, edler Herr! Meine Kleine ist fast vergangen,
daÃ? Ihr so lang ausbleibt; sie hat wieder den ganzen Tag von Euch geredet
und gesungen.
Egmont. Ihr gebt mir doch ein Nachtessen?
Mutter. Zu viel Gnade. Wenn wir nur etwas hÃ?tten.
KlÃ?rchen. Freilich! Seid nur ruhig, Mutter; ich habe schon alles
darauf eingerichtet, ich habe etwas zubereitet. Verratet mich nicht, Mutter.
Mutter. Schmal genug.
KlÃ?rchen. Wartet nur! Und dann denk ich: wenn er bei mir ist, hab ich
gar keinen Hunger; da sollte er auch keinen groÃ?en Appetit haben, wenn ich
bei ihm bin.
Egmont. Meinst du?
KlÃ?rchen (stampft mit dem FuÃ?e und kehrt sich unwillig um).
Egmont. Wie ist dir?
KlÃ?rchen. Wie seid Ihr heute so kalt! Ihr habt mir noch keinen KuÃ?
angeboten. Warum habt Ihr die Arme in den Mantel gewickelt wie ein
Wochenkind? Ziemt keinem Soldaten noch Liebhaber, die Arme eingewickelt zu
haben.
Egmont. Zuzeiten, Liebchen, zuzeiten. Wenn der Soldat auf der Lauer
steht und dem Feinde etwas ablisten mÃchte, da nimmt er sich zusammen,
faÃ?t sich selbst in seine Arme und kaut seinen Anschlag reif. Und ein
Liebhaber -
Mutter. Wollt Ihr Euch nicht setzen? es Euch nicht bequem machen? Ich
muÃ? in die KÃ?che; KlÃ?rchen denkt an nichts, wenn Ihr da seid. Ihr mÃ?Ã?t
fÃ?rliebnehmen.
Egmont. Euer guter Wille ist die beste WÃ?rze. (Mutter ab.)
KlÃ?rchen. Und was wÃ?re denn meine Liebe?
Egmont. So viel du willst.
KlÃ?rchen. Vergleicht sie, wenn Ihr das Herz habt.
Egmont. ZuvÃrderst also. (Er wirft den Mantel ab und steht in einem
prÃ?chtigen Kleide da.)
KlÃ?rchen. O je!
Egmont. Nun hab ich die Arme frei. (Er herzt sie.)
KlÃ?rchen. LaÃ?t! Ihr verderbt Euch. (Sie tritt zurÃ?ck.) Wie
prÃ?chtig! Da darf ich Euch nicht anrÃ?hren.
Egmont. Bist du zufrieden? Ich versprach dir, einmal spanisch zu
kommen.
KlÃ?rchen. Ich bat Euch zeither nicht mehr drum; ich dachte, Ihr
wolltet nicht - Ach und das Goldne Vlies!
Egmont. Da siehst du's nun.
KlÃ?rchen. Das hat dir der Kaiser umgehÃ?ngt?
Egmont. Ja, Kind! und Kette und Zeichen geben dem, der sie trÃ?gt, die
edelsten Freiheiten. Ich erkenne auf Erden keinen Richter Ã?ber meine
Handlungen als den GroÃ?meister des Ordens, mit dem versammelten Kapitel der
Ritter.
KlÃ?rchen. O du dÃ?rftest die ganze Welt Ã?ber dich richten lassen. -
Der Sammet ist gar zu herrlich, und die Passementarbeit! und das Gestickte!
- Man weiÃ? nicht, wo man anfangen soll.
Egmont. Sieh dich nur satt.
KlÃ?rchen. Und das Goldne Vlies! Ihr erzÃ?hltet mir die Geschichte und
sagtet, es sei ein Zeichen alles GroÃ?en und Kostbaren, was man mit MÃ?h und
FleiÃ? verdient und erwirbt. Es ist sehr kostbar - ich kann's deiner Liebe
vergleichen. - Ich trage sie ebenso am Herzen - und hernach -
Egmont. Was willst du sagen?
KlÃ?rchen. Hernach vergleicht sich's auch wieder nicht.
Egmont. Wieso?
KlÃ?rchen. Ich habe sie nicht mit MÃ?h und FleiÃ? erworben, nicht
verdient.
Egmont. In der Liebe ist es anders. Du verdienst sie, weil du dich
nicht darum bewirbst - und die Leute erhalten sie auch meist allein, die
nicht darnach jagen.
KlÃ?rchen. Hast du das von dir abgenommen? Hast du diese stolze
Anmerkung Ã?ber dich selbst gemacht? du, den alles Volk liebt?
Egmont. HÃ?tt' ich nur etwas fÃ?r sie getan! kÃnnt' ich etwas fÃ?r sie
tun! Es ist ihr guter Wille, mich zu lieben.
KlÃ?rchen. Du warst gewiÃ? heute bei der Regentin?
Egmont. Ich war bei ihr.
KlÃ?rchen. Bist du gut mit ihr?
Egmont. Es sieht einmal so aus. Wir sind einander freundlich und
dienstlich.
KlÃ?rchen. Und im Herzen?
Egmont. Will ich ihr wohl. Jedes hat seine eignen Absichten. Das tut
nichts zur Sache. Sie ist eine treffliche Frau, kennt ihre Leute, und sÃ?he
tief genug, wenn sie auch nicht argwÃhnisch wÃ?re. Ich mache ihr viel zu
schaffen, weil sie hinter meinem Betragen immer Geheimnisse sucht, und ich
keine habe.
KlÃ?rchen. So gar keine?
Egmont. Eh nun! einen kleinen Hinterhalt. Jeder Wein setzt Weinstein in
den FÃ?ssern an mit der Zeit. Oranien ist doch noch eine bessere
Unterhaltung fÃ?r sie und eine immer neue Aufgabe. Er hat sich in den Kredit
gesetzt, daÃ? er immer etwas Geheimes vorhabe: und nun sieht sie immer nach
seiner Stirne, was er wohl denken, auf seine Schritte, wohin er sie wohl
richten mÃchte.
KlÃ?rchen. Verstellt sie sich?
Egmont. Regentin, und du fragst?
KlÃ?rchen. Verzeiht, ich wollte fragen: ist sie falsch?
Egmont. Nicht mehr und nicht weniger als jeder, der seine Absichten
erreichen will.
KlÃ?rchen. Ich kÃnnte mich in die Welt nicht finden. Sie hat aber auch
einen mÃ?nnlichen Geist, sie ist ein ander Weib als wir NÃ?hterinnen und
KÃchinnen. Sie ist groÃ?, herzhaft, entschlossen.
Egmont. Ja, wenn's nicht gar zu bunt geht. Diesmal ist sie doch ein
wenig aus der Fassung.
KlÃ?rchen. Wieso?
Egmont. Sie hat auch ein BÃ?rtchen auf der Oberlippe, und manchmal
einen Anfall von Podagra. Eine rechte Amazone!
KlÃ?rchen. Eine majestÃ?tische Frau! Ich scheute mich, vor sie zu
treten.
Egmont. Du bist doch sonst nicht zaghaft - Es wÃ?re auch nicht Furcht,
nur jungfrÃ?uliche Scham.
KlÃ?rchen (schlÃ?gt die Augen nieder, nimmt seine Hand und lehnt sich
an ihn).
Egmont. Ich verstehe dich! liebes MÃ?dchen! du darfst die Augen
aufschlagen. (Er kÃ?Ã?t ihre Augen.)
KlÃ?rchen. LaÃ? mich schweigen! LaÃ? mich dich halten. LaÃ? mich dir in
die Augen sehen; alles drin finden, Trost und Hoffnung und Freude und
Kummer. (Sie umarmt ihn und sieht ihn an.) Sag mir! Sage! ich begreife
nicht! bist du Egmont? der Graf Egmont? der groÃ?e Egmont, der so viel
Aufsehn macht, von dem in den Zeitungen steht, an dem die Provinzen hÃ?ngen?
Egmont. Nein, KlÃ?rchen, das bin ich nicht.
KlÃ?rchen. Wie?
Egmont. Siehst du, KlÃ?rchen! - LaÃ? mich sitzen! (Er setzt sich, sie
kniet vor ihn auf einen Schemel, legt ihr Arme auf seinen SchoÃ? und sieht
ihn an.) Jener Egmont ist ein verdrieÃ?licher, steifer, kalter Egmont, der
an sich halten, bald dieses bald jenes Gesicht machen muÃ?; geplagt,
verkannt, verwickelt ist, wenn ihn die Leute fÃ?r froh und frÃhlich halten;
geliebt von einem Volke, das nicht weiÃ?, was es will; geehrt und in die
HÃhe getragen von einer Menge, mit der nichts anzufangen ist; umgeben von
Freunden, denen er sich nicht Ã?berlassen darf; beobachtet von Menschen, die
ihm auf alle Weise beikommen mÃchten; arbeitend und sich bemÃ?hend, oft
ohne Zweck meist ohne Lohn - O laÃ? mich schweigen, wie es dem ergeht, wie
es dem zumute ist. Aber dieser, KlÃ?rchen, der ist ruhig, offen, glÃ?cklich,
geliebt und gekannt von dem besten Herzen, das auch er ganz kennt und mit
voller Liebe und Zutrauen an das seine drÃ?ckt. (Er umarmt sie.) Das ist
dein Egmont!
KlÃ?rchen. So laÃ? mich sterben! Die Welt hat keine Freuden auf diese!
Vierter Aufzug
StraÃ?e
Jetter. Zimmermeister.
Jetter. He! Pst! He, Nachbar, ein Wort!
Zimmermeister. Geh deines Pfads und sei ruhig.
Jetter. Nur ein Wort. Nichts Neues?
Zimmermeister. Nichts, als daÃ? uns von Neuem zu reden verboten ist.
Jetter. Wie?
Zimmermeister. Tretet hier ans Haus an. HÃ?tet Euch! Der Herzog von
Alba hat gleich bei seiner Ankunft einen Befehl ausgehen lassen, dadurch
zwei oder drei, die auf der StraÃ?e zusammen sprechen, des Hochverrats ohne
Untersuchung schuldig erklÃ?rt sind.
Jetter. O weh!
Zimmermeister. Bei ewiger Gefangenschaft ist verboten, von Staatssachen
zu reden.
Jetter. O unsre Freiheit!
Zimmermeister. Und bei Todesstrafe soll niemand die Handlungen der
Regierung miÃ?billigen.
Jetter. O unsre KÃpfe!
Zimmermeister. Und mit groÃ?em Versprechen werden VÃ?ter, MÃ?tter,
Kinder, Verwandte, Freunde, Dienstboten eingeladen, was in dem Innersten des
Hauses vorgeht, bei dem besonders niedergesetzten Gerichte zu offenbaren.
Jetter. Gehn wir nach Hause.
Zimmermeister. Und den Folgsamen ist versprochen, daÃ? sie weder an
Leibe, noch Ehre, noch VermÃgen einige KrÃ?nkung erdulden sollen.
Jetter. Wie gnÃ?dig! War mir's doch gleich weh, wie der Herzog in die
Stadt kam. Seit der Zeit ist mir's, als wÃ?re der Himmel mit einem schwarzen
Flor Ã?berzogen und hinge so tief herunter, daÃ? man sich bÃ?cken mÃ?sse, um
nicht dran zu stoÃ?en.
Zimmermeister. Und wie haben dir seine Soldaten gefallen? Gelt! das ist
eine andre Art von Krebsen, als wir sie sonst gewohnt waren.
Jetter. Pfui! Es schnÃ?rt einem das Herz ein, wenn man so einen Haufen
die Gassen hinab marschieren sieht. Kerzengerad mit unverwandtem Blick, ein
Tritt, soviel ihrer sind. Und wenn sie auf der Schildwache stehen und du
gehst an einem vorbei, ist's, als wenn er dich durch und durch sehen wollte,
und sieht so steif und mÃ?rrisch aus, daÃ? du auf allen Ecken einen
Zuchtmeister zu sehen glaubst. Sie tun mir gar nicht wohl. Unsre Miliz war
doch noch ein lustig Volk; sie nahmen sich was heraus, standen mit
ausgegrÃ?tschten Beinen da, hatten den Hut Ã?berm Ohr, lebten und lieÃ?en
leben; diese Kerle aber sind wie Maschinen, in denen ein Teufel sitzt.
Zimmermeister. Wenn so einer ruft. Â'Halt!Â' und anschlÃ?gt, meinst du,
man hielte?
Jetter. Ich wÃ?re gleich des Todes.
Zimmermeister. Gehn wir nach Hause.
Jetter. Es wird nicht gut. Adieu.
(Soest tritt dazu.)
Soest. Freunde! Genossen!
Zimmermeister. Still! LaÃ?t uns gehen.
Soest. WiÃ?t ihr?
Jetter. Nur zu viel!
Soest. Die Regentin ist weg.
Jetter. Nun gnad' uns Gott!
Zimmermeister. Die hielt uns noch.
Soest. Auf einmal und in der Stille. Sie konnte sich mit dem Herzog
nicht vertragen; sie lieÃ? dem Adel melden, sie komme wieder. Niemand
glaubt's.
Zimmermeister. Gott verzeih's dem Adel, daÃ? er uns diese neue GeiÃ?el
Ã?ber den Hals gelassen hat. Sie hÃ?tten es abwenden kÃnnen. Unsre
Privilegien sind hin.
Jetter. Um Gottes willen nichts von Privilegien! Ich wittre den Geruch
von einem Exekutionsmorgen; die Sonne will nicht hervor, die Nebel stinken.
Soest. Oranien ist auch weg.
Zimmermeister. So sind wir denn ganz verlassen!
Soest. Graf Egmont ist noch da.
Jetter. Gott sei Dank! StÃ?rken ihn alle Heiligen, daÃ? er sein Bestes
tut; der ist allein was vermÃgend.
(Vansen tritt auf.)
Vansen. Find ich endlich ein paar, die noch nicht untergekrochen sind?
Jetter. Tut uns den Gefallen und geht fÃ?rbaÃ?.
Vansen. Ihr seid nicht hÃflich.
Zimmermeister. Es ist gar keine Zeit zu Komplimenten. Juckt Euch der
Buckel wieder? Seid Ihr schon durchgeheilt?
Vansen. Fragt einen Soldaten nach seinen Wunden! Wenn ich auf SchlÃ?ge
was gegeben hÃ?tte, wÃ?re sein Tage nichts aus mir geworden.
Jetter. Es kann ernstlicher werden.
Vansen. Ihr spÃ?rt von dem Gewitter, das aufsteigt, eine erbÃ?rmliche
Mattigkeit in den Gliedern, scheint's.
Zimmermeister. Deine Glieder werden sich bald woanders eine Motion
machen, wenn du nicht ruhst.
Vansen. Armselige MÃ?use, die gleich verzweifeln, wenn der Hausherr
eine neue Katze anschafft! Nur ein biÃ?chen anders; aber wir treiben unser
Wesen vor wie nach, seid nur ruhig.
Zimmermeister. Du bist ein verwegener Taugenichts.
Vansen. Gevatter Tropf! LaÃ? du den Herzog nur gewÃ?hren. Der alte
Kater sieht aus, als wenn er Teufel statt MÃ?use gefressen hÃ?tte und
kÃnnte sie nun nicht verdauen. LaÃ?t ihn nur erst; er muÃ? auch essen,
trinken, schlafen wie andere Menschen. Es ist mir nicht bange, wenn wir
unsere Zeit recht nehmen. Im Anfange geht's rasch; nachher wird er auch
finden, daÃ? in der Speisekammer unter den Speckseiten besser leben ist und
des Nachts zu ruhen, als auf dem Fruchtboden einzelne MÃ?uschen zu erlisten.
Geht nur, ich kenne die Statthalter.
Zimmermeister. Was so einem Menschen alles durchgeht! Wenn ich in
meinem Leben so etwas gesagt hÃ?tte, hielt' ich mich keine Minute fÃ?r
sicher.
Vansen. Seid nur ruhig! Gott im Himmel erfÃ?hrt nichts von euch
WÃ?rmern, geschweige der Regent.
Jetter. LÃ?stermaul!
Vansen. Ich weiÃ? andere, denen es besser wÃ?re, sie hÃ?tten statt
ihres Heldenmuts eine Schneiderader im Leibe.
Zimmermeister. Was wollt Ihr damit sagen?
Vansen. Hm! den Grafen mein ich.
Jetter. Egmont! Was soll der fÃ?rchten?
Vansen. Ich bin ein armer Teufel und kÃnnte ein ganzes Jahr leben von
dem, was er in einem Abende verliert. Und doch kÃnnt' er mir sein Einkommen
eines ganzen Jahres geben, wenn er meinen Kopf auf eine Viertelstunde
hÃ?tte.
Jetter. Du denkst dich was Rechts. Egmonts Haare sind gescheiter als
dein Hirn.
Vansen. Redt Ihr! Aber nicht feiner. Die Herren betriegen sich am
ersten. Er sollte nicht trauen.
Jetter. Was er schwÃ?tzt! So ein Herr!
Vansen. Eben weil er kein Schneider ist.
Jetter. Ungewaschen Maul!
Vansen. Dem wollt' ich Eure Courage nur eine Stunde in die Glieder
wÃ?nschen, daÃ? sie ihm da Unruh machte und ihn so lange neckte und juckte,
bis er aus der Stadt mÃ?Ã?te.
Jetter. Ihr redet recht unverstÃ?ndig; er ist so sicher wie der Stern
am Himmel.
Vansen. Hast du nie einen sich schneuzen gesehn? Weg war er!
Zimmermeister. Wer will ihm denn was tun?
Vansen. Wer will? Willst du's etwa hindern? Willst du einen Aufruhr
erregen, wenn sie ihn gefangennehmen?
Jetter. Ah!
Vansen. Wollt ihr eure Rippen fÃ?r ihn wagen?
Soest. Eh!
Vansen (sie nachÃ?ffend). Ih! Oh! Uh! Verwundert euch durchs ganze
Alphabet. So ist's und bleibt's! Gott bewahre ihn!
Jetter. Ich erschrecke Ã?ber Eure UnverschÃ?mtheit. So ein edler,
rechtschaffener Mann sollte was zu befÃ?rchten haben?
Vansen. Der Schelm sitzt Ã?berall im Vorteil. Auf dem
ArmensÃ?nderstÃ?hlchen hat er den Richter zum Narren; auf dem Richterstuhl
macht er den Inquisiten mit Lust zum Verbrecher. Ich habe so ein Protokoll
abzuschreiben gehabt, wo der Kommissarius schwer Lob und Geld vom Hofe
erhielt, weil er einen ehrlichen Teufel, an den man wollte, zum Schelmen
verhÃrt hatte.
Zimmermeister. Das ist wieder frisch gelogen. Was wollen sie denn
heraus verhÃren, wenn einer unschuldig ist?
Vansen. O Spatzenkopf! Wo nichts herauszuverhÃren ist, da verhÃrt man
hinein. Ehrlichkeit macht unbesonnen, auch wohl trotzig. Da fragt man erst
recht sachte weg, und der Gefangne ist stolz auf seine Unschuld, wie sie's
heiÃ?en, und sagt alles geradezu, was ein VerstÃ?ndiger verbÃ?rge. Dann
macht der Inquisitor aus den Antworten wieder Fragen und paÃ?t ja auf, wo
irgendein WidersprÃ?chelchen erscheinen will; da knÃ?pft er seinen Strick
an, und lÃ?Ã?t sich der dumme Teufel betreten, daÃ? er hier etwas zu viel,
dort etwas zu wenig gesagt oder wohl gar aus Gott weiÃ? was fÃ?r einer
Grille einen Umstand verschwiegen hat, auch wohl irgend an einem Ende sich
hat schrecken lassen: dann sind wir auf dem rechten Weg! Und ich versichre
euch, mit mehr Sorgfalt suchen die Bettelweiber nicht die Lumpen aus dem
Kehricht, als so ein Schelmenfabrikant aus kleinen, schiefen, verschobenen,
verrÃ?ckten, verdrÃ?ckten, geschlossenen, bekannten, geleugneten Anzeigen
und UmstÃ?nden sich endlich einen strohlumpenen Vogelscheu
zusammenkÃ?nstelt, um wenigstens seinen Inquisiten in effigie hÃ?ngen zu
kÃnnen. Und Gott mag der arme Teufel danken, wenn er sich noch kann hÃ?ngen
sehen.
Jetter. Der hat eine gelÃ?ufige Zunge.
Zimmermeister. Mit Fliegen mag das angehen. Die Wespen lachen Eures
Gespinstes.
Vansen. Nachdem die Spinnen sind. Seht, der lange Herzog hat euch so
ein rein Ansehn von einer Kreuzspinne, nicht einer dickbÃ?uchigen, die sind
weniger schlimm, aber so einer langfÃ?Ã?igen, schmalleibigen, die vom FraÃ?e
nicht feist wird und recht dÃ?nne FÃ?den zieht, aber desto zÃ?here.
Jetter. Egmont ist Ritter des Goldnen Vlieses; wer darf Hand an ihn
legen? Nur von seinesgleichen kann er gerichtet werden, nur vom gesamten
Orden. Dein loses Maul, dein bÃses Gewissen verfÃ?hren dich zu solchem
GeschwÃ?tz.
Vansen. Will ich ihm darum Ã?bel? Mir kann's recht sein. Es ist ein
trefflicher Herr. Ein paar meiner guten Freunde, die anderwÃ?rts schon
wÃ?ren gehangen worden, hat er mit einem Buckel voll SchlÃ?ge verabschiedet.
Nun geht! Geht! Ich rat es euch selbst. Dort seh ich wieder eine Runde
antreten; die sehen nicht aus, als wenn sie so bald BrÃ?derschaft mit uns
trinken wÃ?rden. Wir wollen's abwarten und nur sachte zusehen. Ich hab ein
paar Nichten und einen Gevatter Schenkwirt; wenn sie von denen gekostet
haben und werden dann nicht zahm, so sind sie ausgepichte WÃlfe.
Der Culenburgische Palast
Wohnung des Herzogs von Alba
Silva und Gomez begegnen einander.
Silva. Hast du die Befehle des Herzogs ausgerichtet?
Gomez. PÃ?nktlich. Alle tÃ?gliche Runden sind beordert, zur bestimmten
Zeit an verschiedenen PlÃ?tzen einzutreffen, die ich ihnen bezeichnet habe;
sie gehen indes, wie gewÃhnlich, durch die Stadt, um Ordnung zu erhalten.
Keiner weiÃ? von dem andern; jeder glaubt, der Befehl gehe ihn allein an,
und in einem Augenblick kann alsdann der Kordon gezogen und alle ZugÃ?nge
zum Palast kÃnnen besetzt sein. WeiÃ?t du die Ursache dieses Befehls?
Silva. Ich bin gewohnt, blindlings zu gehorchen. Und wem gehorcht
sich's leichter als dem Herzoge, da bald der Ausgang beweist, daÃ? er recht
befohlen hat?
Gomez. Gut! Gut! Auch scheint es mir kein Wunder, daÃ? du so
verschlossen und einsilbig wirst wie er, da du immer um ihn sein muÃ?t. Mir
kommt es fremd vor, da ich den leichteren italienischen Dienst gewohnt bin.
An Treue und Gehorsam bin ich der alte; aber ich habe mir das SchwÃ?tzen und
RÃ?sonieren angewÃhnt. Ihr schweigt alle und laÃ?t es euch nie wohl sein.
Der Herzog gleicht mir einem ehrnen Turm ohne Pforte, wozu die Besatzung
FlÃ?gel hÃ?tte. Neulich hÃrt' ich ihn bei Tafel von einem frohen
freundlichen Menschen sagen: er sei wie eine schlechte Schenke mit einem
ausgesteckten Branntweinzeichen, um MÃ?Ã?iggÃ?nger, Bettler und Diebe
hereinzulocken.
Silva. Und hat er uns nicht schweigend hierhergefÃ?hrt?
Gomez. Dagegen ist nichts zu sagen. GewiÃ?! Wer Zeuge seiner Klugheit
war, wie er die Armee aus Italien hierher brachte, der hat etwas gesehen.
Wie er sich durch Freund und Feind, durch die Franzosen, KÃniglichen und
Ketzer, durch die Schweizer und Verbundnen gleichsam durchschmiegte, die
strengste Mannszucht hielt und einen Zug, den man so gefÃ?hrlich achtete,
leicht und ohne AnstoÃ? zu leiten wuÃ?te! - Wir haben was gesehen, was
lernen kÃnnen.
Silva. Auch hier! Ist nicht alles still und ruhig, als wenn kein
Aufstand gewesen wÃ?re?
Gomez. Nun, es war auch schon meist still, als wir her kamen.
Silva. In den Provinzen ist es viel ruhiger geworden; und wenn sich
noch einer bewegt, so ist es, um zu entfliehen. Aber auch diesen wird er die
Wege bald versperren, denk ich.
Gomez. Nun wird er erst die Gunst des KÃnigs gewinnen.
Silva. Und uns bleibt nichts angelegener, als uns die seinige zu
erhalten. Wenn der KÃnig hieherkommt, bleibt gewiÃ? der Herzog und jeder,
den er empfiehlt, nicht unbelohnt.
Gomez. Glaubst du, daÃ? der KÃnig kommt?
Silva. Es werden so viele Anstalten gemacht, daÃ? es hÃchst
wahrscheinlich ist.
Gomez. Mich Ã?berreden sie nicht.
Silva. So rede wenigstens nicht davon. Denn wenn des KÃnigs Absicht ja
nicht sein sollte zu kommen, so ist sie's doch wenigstens gewiÃ?, daÃ? man
es glauben soll.
(Ferdinand, Albas natÃ?rlicher Sohn.)
Ferdinand. Ist mein Vater noch nicht heraus?
Silva. Wir warten auf ihn.
Ferdinand. Die FÃ?rsten werden bald hier sein.
Gomez. Kommen sie heute?
Ferdinand. Oranien und Egmont.
Gomez (leise zu Silva). Ich begreife etwas.
Silva. So behalt es fÃ?r dich.
(Herzog von Alba. - Wie er herein- und hervortritt, treten die andern
zurÃ?ck.)
Alba. Gomez.
Gomez (tritt vor). Herr!
Alba. Du hast die Wachen verteilt und beordert?
Gomez. Aufs genaueste. Die tÃ?glichen Runden -
Alba. Genug. Du wartest in der Galerie. Silva wird dir den Augenblick
sagen, wenn du sie zusammenziehen, die ZugÃ?nge nach dem Palast besetzen
sollst. Das Ã?brige weiÃ?t du.
Gomez. Ja, Herr! (Ab.)
Alba. Silva!
Silva. Hier bin ich.
Alba. Alles, was ich von jeher an dir geschÃ?tzt habe, Mut,
Entschlossenheit, unaufhaltsames AusfÃ?hren, das zeige heut.
Silva. Ich danke Euch, daÃ? Ihr mir Gelegenheit gebt zu zeigen, daÃ?
ich der alte bin.
Alba. Sobald die FÃ?rsten bei mir eingetreten sind, dann eile gleich,
Egmonts Geheimschreiber gefangenzunehmen. Du hast alle Anstalten gemacht,
die Ã?brigen, welche bezeichnet sind, zu fahen?
Silva. Vertraue auf uns. Ihr Schicksal wird sie, wie eine
wohlberechnete Sonnenfinsternis, pÃ?nktlich und schrecklich treffen.
Alba. Hast du sie genau beobachten lassen?
Silva. Alle; den Egmont vor andern. Er ist der einzige, der, seit du
hier bist, sein Betragen nicht geÃ?ndert hat. Den ganzen Tag von einem Pferd
aufs andere, ladet GÃ?ste, ist immer lustig und unterhaltend bei Tafel,
wÃ?rfelt, schieÃ?t und schleicht nachts zum Liebchen. Die andern haben
dagegen eine merkliche Pause in ihrer Lebensart gemacht; sie bleiben bei
sich; vor ihrer TÃ?re sieht's aus, als wenn ein Kranker im Hause wÃ?re.
Alba. Drum rasch! eh sie uns wider Willen genesen.
Silva. Ich stelle sie. Auf deinen Befehl Ã?berhÃ?ufen wir sie mit
dienstfertigen Ehren. Ihnen graut's; politisch geben sie uns einen
Ã?ngstlichen Dank, fÃ?hlen, das RÃ?tlichste sei, zu entfliehen, keiner wagt
einen Schritt, sie zaudern, kÃnnen sich nicht vereinigen; und einzeln etwas
KÃ?hnes zu tun, hÃ?lt sie der Gemeingeist ab. Sie mÃchten gern sich jedem
Verdacht entziehen und machen sich immer verdÃ?chtiger. Schon seh ich mit
Freuden deinen ganzen Anschlag ausgefÃ?hrt.
Alba. Ich freue mich nur Ã?ber das Geschehene; und auch Ã?ber das nicht
leicht; denn es bleibt stets noch Ã?brig, was uns zu denken und zu sorgen
gibt. Das GlÃ?ck ist eigensinnig, oft das Gemeine, das NichtswÃ?rdige zu
adeln und wohlÃ?berlegte Taten mit einem gemeinen Ausgang zu entehren.
Verweile, bis die FÃ?rsten kommen; dann gib Gomez die Ordre, die StraÃ?en zu
besetzen, und eile selbst, Egmonts Schreiber und die Ã?brigen
gefangenzunehmen, die dir bezeichnet sind. Ist es getan, so komm hierher und
meld es meinem Sohne, daÃ? er mir in den Rat die Nachricht bringe.
Silva. Ich hoffe, diesen Abend vor dir stehn zu dÃ?rfen.
(Alba geht nach seinem Sohne, der bisher in der Galerie gestanden.)
Silva. Ich traue mir es nicht zu sagen; aber meine Hoffnung schwankt.
Ich fÃ?rchte, es wird nicht werden, wie er denkt. Ich sehe Geister vor mir,
die still und sinnend auf schwarzen Schalen das Geschick der FÃ?rsten und
vieler Tausende wÃ?gen. Langsam wankt das ZÃ?nglein auf und ab; tief
scheinen die Richter zu sinnen; zuletzt sinkt diese Schale, steigt jene,
angehaucht vom Eigensinn des Schicksals, und entschieden ist's. (Ab.)
(Alba mit Ferdinand hervortretend.)
Alba. Wie fandst du die Stadt?
Ferdinand. Es hat sich alles gegeben. Ich ritt, als wie zum
Zeitvertreib, straÃ?auf, straÃ?ab. Eure wohlverteilten Wachen halten die
Furcht so angespannt, daÃ? sie sich nicht zu lispeln untersteht. Die Stadt
sieht einem Felde Ã?hnlich, wenn das Gewitter von weitem leuchtet; man
erblickt keinen Vogel, kein Tier, als das eilend nach einem Schutzorte
schlÃ?pft.
Alba. Ist dir nichts weiter begegnet?
Ferdinand. Egmont kam mit einigen auf den Markt geritten; wir grÃ?Ã?ten
uns; er hatte ein rohes Pferd, das ich ihm loben muÃ?te. Â'LaÃ?t uns eilen,
Pferde zuzureiten, wir werden sie bald brauchen!Â' rief er mir entgegen. Er
werde mich noch heute wiedersehn, sagte er, und komme, auf Euer Verlangen,
mit Euch zu ratschlagen.
Alba. Er wird dich wiedersehn.
Ferdinand. Unter allen Rittern, die ich hier kenne, gefÃ?llt er mir am
besten. Es scheint, wir werden Freunde sein.
Alba. Du bist noch immer zu schnell und wenig behutsam; immer erkenn
ich in dir den Leichtsinn deiner Mutter, der mir sie unbedingt in die Arme
lieferte. Zu mancher gefÃ?hrlichen Verbindung lud dich der Anschein voreilig
ein.
Ferdinand. Euer Wille findet mich bildsam.
Alba. Ich vergebe deinem jungen Blute dies leichtsinnige Wohlwollen,
diese unachtsame FrÃhlichkeit. Nur vergiÃ? nicht, zu welchem Werke ich
gesandt bin, und welchen Teil ich dir dran geben mÃchte.
Ferdinand. Erinnert mich, und schont mich nicht, wo Ihr es nÃtig
haltet.
Alba (nach einer Pause). Mein Sohn!
Ferdinand. Mein Vater!
Alba. Die FÃ?rsten kommen bald, Oranien und Egmont kommen. Es ist nicht
MiÃ?trauen, daÃ? ich dir erst jetzt entdecke, was geschehen soll. Sie werden
nicht wieder von hinnen gehn.
Ferdinand. Was sinnst du?
Alba. Es ist beschlossen, sie festzuhalten. - Du erstaunst! Was du zu
tun hast, hÃre; die Ursachen sollst du wissen, wenn es geschehn ist. Jetzt
bleibt keine Zeit, sie auszulegen. Mit dir allein wÃ?nscht' ich das
GrÃÃ?te, das Geheimste zu besprechen; ein starkes Band hÃ?lt uns
zusammengefesselt; du bist mir wert und lieb; auf dich mÃcht' ich alles
hÃ?ufen. Nicht die Gewohnheit zu gehorchen allein mÃcht' ich dir
einprÃ?gen; auch den Sinn, auszudenken, zu befehlen, auszufÃ?hren, wÃ?nscht'
ich in dir fortzupflanzen; dir ein groÃ?es Erbteil, dem KÃnige den
brauchbarsten Diener zu hinterlassen; dich mit dem Besten, was ich habe,
auszustatten, daÃ? du dich nicht schÃ?men dÃ?rfest, unter deine BrÃ?der zu
treten.
Ferdinand. Was werd ich dir nicht fÃ?r diese Liebe schuldig, die du mir
allein zuwendest, indem ein ganzes Reich vor dir zittert!
Alba. Nun hÃre, was zu tun ist. Sobald die FÃ?rsten eingetreten sind,
wird jeder Zugang zum Palaste besetzt. Dazu hat Gomez die Ordre. Silva wird
eilen, Egmonts Schreiber mit den VerdÃ?chtigsten gefangenzunehmen. Du
hÃ?ltst die Wache am Tore und in den HÃfen in Ordnung. Vor allen Dingen
besetze diese Zimmer hier neben mit den sichersten Leuten; dann warte auf
der Galerie, bis Silva wiederkommt, und bringe mir irgendein unbedeutend
Blatt herein, zum Zeichen, daÃ? sein Auftrag ausgerichtet ist. Dann bleib im
Vorsaale, bis Oranien weggeht; folg ihm; ich halte Egmont hier, als ob ich
ihm noch was zu sagen hÃ?tte. Am Ende der Galerie fordre Oraniens Degen,
rufe die Wache an, verwahre schnell den gefÃ?hrlichsten Mann; und ich fasse
Egmont hier.
Ferdinand. Ich gehorche, mein Vater. Zum erstenmal mit schwerem Herzen
und mit Sorge.
Alba. Ich verzeihe dir's; es ist der erste groÃ?e Tag, den du erlebst.
(Silva tritt herein.)
Silva. Ein Bote von Antwerpen. Hier ist Oraniens Brief! Er kommt nicht.
Alba. Sagt' es der Bote?
Silva. Nein, mir sagt's das Herz.
Alba. Aus dir spricht mein bÃser Genius. (Nachdem er den Brief
gelesen, winkt er beiden, und sie ziehen sich in die Galerie zurÃ?ck. Er
bleibt allein auf dem Vorderteile.) Er kommt nicht! Bis auf den letzten
Augenblick verschiebt er, sich zu erklÃ?ren. Er wagt es, nicht zu kommen! So
war denn diesmal wider Vermuten der Kluge klug genug, nicht klug zu sein! -
Es rÃ?ckt die Uhr! Noch einen kleinen Weg des Seigers, und ein groÃ?es Werk
ist getan oder versÃ?umt, unwiederbringlich versÃ?umt; denn es ist weder
nachzuholen, noch zu verheimlichen. LÃ?ngst hatt' ich alles reiflich
abgewogen, und mir auch diesen Fall gedacht, mir festgesetzt, was auch in
diesem Falle zu tun sei; und jetzt, da es zu tun ist, wehr ich mir kaum,
daÃ? nicht das FÃ?r und Wider mir aufs neue durch die Seele schwankt. -
Ist's rÃ?tlich, die andern zu fangen, wenn er mir entgeht? Schieb ich es auf
und laÃ? Egmont mit den Seinigen, mit so vielen entschlÃ?pfen, die nun,
vielleicht nur heute noch, in meinen HÃ?nden sind? So zwingt dich das
Geschick denn auch, du Unbezwinglicher? Wie lang gedacht! Wie wohl bereitet!
Wie groÃ?, wie schÃn der Plan! Wie nah die Hoffnung ihrem Ziele! und nun im
Augenblick des Entscheidens bist du zwischen zwei Ã?bel gestellt; wie in
einen Lostopf greifst du in die dunkle Zukunft; was du fassest, ist noch
zugerollt, dir unbewuÃ?t, sei's Treffer oder Fehler! (Er wird aufmerksam,
wie einer, der etwas hÃrt, und tritt ans Fenster.) Er ist es! Egmont! -
Trug dich dein Pferd so leicht herein und scheute vor dem Blutgeruche nicht
und vor dem Geiste mit dem blanken Schwert, der an der Pforte dich
empfÃ?ngt? - Steig ab! - So bist du mit dem einen FuÃ? im Grab! und so mit
beiden! - ja streichl' es nur und klopfe fÃ?r seinen mutigen Dienst zum
letztenmale den Nacken ihm - Und mir bleibt keine Wahl. In der Verblendung,
wie hier Egmont naht, kann er dir nicht zum zweitenmal sich liefern! -
HÃrt!
(Ferdinand und Silva treten eilig herbei.)
Alba. Ihr tut, was ich befahl; ich Ã?ndre meinen Willen nicht. Ich
halte, wie es gehn will, Egmont auf, bis du mir von Silva die Nachricht
gebracht hast. Dann bleib in der NÃ?he. Auch dir raubt das Geschick das
groÃ?e Verdienst, des KÃnigs grÃÃ?ten Feind mit eigener Hand gefangen zu
haben. (Zu Silva.) Eile! (Zu Ferdinand.) Geh ihm entgegen. (Alba bleibt
einige Augenblicke allein und geht schweigend auf und ab.)
(Egmont tritt auf.)
Egmont. Ich komme, die Befehle des KÃnigs zu vernehmen, zu hÃren,
welchen Dienst er von unserer Treue verlangt, die ihm ewig ergeben bleibt.
Alba. Er wÃ?nscht vor allen Dingen Euern Rat zu hÃren.
Egmont. Ã?ber welchen Gegenstand? Kommt Oranien auch? Ich vermutete ihn
hier.
Alba. Mir tut es leid, daÃ? er uns eben in dieser wichtigen Stunde
fehlt. Euern Rat, Eure Meinung wÃ?nscht der KÃnig, wie diese Staaten wieder
zu befriedigen. Ja, er hofft, Ihr werdet krÃ?ftig mitwirken, diese Unruhen
zu stillen und die Ordnung der Provinzen vÃllig und dauerhaft zu grÃ?nden.
Egmont. Ihr kÃnnt besser wissen als ich, daÃ? schon alles genug
beruhigt ist, ja, noch mehr beruhigt war, eh die Erscheinung der neuen
Soldaten wieder mit Furcht und Sorge die GemÃ?ter bewegte.
Alba. Ihr scheint andeuten zu wollen, das RÃ?tlichste sei gewesen, wenn
der KÃnig mich gar nicht in den Fall gesetzt hÃ?tte, Euch zu fragen.
Egmont. Verzeiht! Ob der KÃnig das Heer hÃ?tte schicken sollen, ob
nicht vielmehr die Macht seiner majestÃ?tischen Gegenwart allein stÃ?rker
gewirkt hÃ?tte, ist meine Sache nicht zu beurteilen. Das Heer ist da, er
nicht. Wir aber mÃ?Ã?ten sehr undankbar, sehr vergessen sein, wenn wir uns
nicht erinnerten, was wir der Regentin schuldig sind. Bekennen wir! Sie
brachte durch ihr so kluges als tapferes Betragen die AufrÃ?hrer mit Gewalt
und Ansehn, mit Ã?berredung und List zur Ruhe und fÃ?hrte zum Erstaunen der
Welt ein rebellisches Volk in wenigen Monaten zu seiner Pflicht zurÃ?ck.
Alba. Ich leugne es nicht. Der Tumult ist gestillt, und jeder scheint
in die Grenzen des Gehorsams zurÃ?ckgebannt. Aber hÃ?ngt es nicht von eines
jeden WillkÃ?r ab, sie zu verlassen? Wer will das Volk hindern loszubrechen?
Wo ist die Macht, sie abzuhalten? Wer bÃ?rgt uns, daÃ? sie sich ferner treu
und untertÃ?nig zeigen werden? Ihr guter Wille ist alles Pfand, das wir
haben.
Egmont. Und ist der gute Wille eines Volks nicht das sicherste, das
edelste Pfand? Bei Gott! Wann darf sich ein KÃnig sicherer halten, als wenn
sie alle fÃ?r einen, einer fÃ?r alle stehn? Sicherer gegen innere und
Ã?uÃ?ere Feinde?
Alba. Wir werden uns doch nicht Ã?berreden sollen, daÃ? es jetzt hier
so steht?
Egmont. Der KÃnig schreibe einen Generalpardon aus, er beruhige die
GemÃ?ter; und bald wird man sehen, wie Treue und Liebe mit dem Zutrauen
wieder zurÃ?ckkehrt.
Alba. Und jeder, der die MajestÃ?t des KÃnigs, der das Heiligtum der
Religion geschÃ?ndet, ginge frei und ledig hin und wider! lebte den andern
zum bereiten Beispiel, daÃ? ungeheure Verbrechen straflos sind?
Egmont. Und ist ein Verbrechen des Unsinns, der Trunkenheit nicht eher
zu entschuldigen, als grausam zu bestrafen? Besonders wo so sichre Hoffnung,
wo GewiÃ?heit ist, daÃ? die Ã?bel nicht wiederkehren werden? Waren KÃnige
darum nicht sicherer? Werden sie nicht von Welt und Nachwelt gepriesen, die
eine Beleidigung ihrer WÃ?rde vergeben, bedauern, verachten konnten? Werden
sie nicht eben deswegen Gott gleich gehalten, der viel zu groÃ? ist, als
daÃ? an ihn jede LÃ?sterung reichen sollte?
Alba. Und eben darum soll der KÃnig fÃ?r die WÃ?rde Gottes und der
Religion, wir sollen fÃ?r das Ansehn des KÃnigs streiten. Was der obere
abzulehnen verschmÃ?ht, ist unsere Pflicht zu rÃ?chen. Ungestraft soll, wenn
ich rate, kein Schuldiger sich freuen.
Egmont. Glaubst du, daÃ? du sie alle erreichen wirst? HÃrt man nicht
tÃ?glich, daÃ? die Furcht sie hie- und dahin, sie aus dem Lande treibt? Die
Reichsten werden ihre GÃ?ter, sich, ihre Kinder und Freunde flÃ?chten; der
Arme wird seine nÃ?tzlichen HÃ?nde dem Nachbar zubringen.
Alba. Sie werden, wenn man sie nicht verhindern kann. Darum verlangt
der KÃnig Rat und Tat von jedem FÃ?rsten, Ernst von jedem Statthalter;
nicht nur ErzÃ?hlung, wie es ist, was werden kÃnnte, wenn man alles gehen
lieÃ?e, wie's geht. Einem groÃ?en Ã?bel zusehen, sich mit Hoffnung
schmeicheln, der Zeit vertrauen, etwa einmal dreinschlagen, wie im
Fastnachtsspiel, daÃ? es klatscht und man doch etwas zu tun scheint, wenn
man nichts tun mÃchte, heiÃ?t das nicht, sich verdÃ?chtig machen, als sehe
man dem Aufruhr mit VergnÃ?gen zu, den man nicht erregen, wohl aber hegen
mÃchte!
Egmont (im Begriff aufzufahren, nimmt sich zusammen und spricht nach
einer kleinen Pause gesetzt). Nicht jede Absicht ist offenbar, und manches
Mannes Absicht ist zu miÃ?deuten. MuÃ? man doch auch von allen Seiten
hÃren: es sei des KÃnigs Absicht weniger, die Provinzen nach einfÃrmigen
und klaren Gesetzen zu regieren, die MajestÃ?t der Religion zu sichern und
einen allgemeinen Frieden seinem Volke zu geben, als vielmehr sie unbedingt
zu unterjochen, sie ihrer alten Rechte zu berauben, sich Meister von ihren
BesitztÃ?mern zu machen, die schÃnen Rechte des Adels einzuschrÃ?nken, um
derentwillen der Edle allein ihm dienen, ihm Leib und Leben widmen mag. Die
Religion, sagt man, sei nur ein prÃ?chtiger Teppich, hinter dem man jeden
gefÃ?hrlichen Anschlag nur desto leichter ausdenkt. Das Volk liegt auf den
Knien, betet die heiligen gewirkten Zeichen an, und hinten lauscht der
Vogelsteller, der sie berÃ?cken will.
Alba. Das muÃ? ich von dir hÃren?
Egmont. Nicht meine Gesinnungen! Nur was bald hier bald da, von GroÃ?en
und von Kleinen, Klugen und Toren gesprochen, laut verbreitet wird. Die
NiederlÃ?nder fÃ?rchten ein doppeltes Joch, und wer bÃ?rgt ihnen fÃ?r ihre
Freiheit?
Alba. Freiheit? Ein schÃnes Wort, wer's recht verstÃ?nde. Was wollen
sie fÃ?r Freiheit? Was ist des Freiesten Freiheit? - Recht zu tun! - und
daran wird sie der KÃnig nicht hindern. Nein! nein! sie glauben sich nicht
frei, wenn sie sich nicht selbst und andern schaden kÃnnen. WÃ?re es nicht
besser, abzudanken, als ein solches Volk zu regieren? Wenn auswÃ?rtige
Feinde drÃ?ngen, an die kein BÃ?rger denkt, der mit dem NÃ?chsten nur
beschÃ?ftigt ist, und der KÃnig verlangt Beistand: dann werden sie uneins
unter sich, und verschwÃren sich gleichsam mit ihren Feinden. Weit besser
ist's, sie einzuengen, daÃ? man sie wie Kinder halten, wie Kinder zu ihrem
Besten leiten kann. Glaube nur, ein Volk wird nicht alt, nicht klug; ein
Volk bleibt immer kindisch.
Egmont. Wie selten kommt ein KÃnig zu Verstand! Und sollen sich viele
nicht lieber vielen vertrauen als einem? und nicht einmal dem einen, sondern
den wenigen des einen, dem Volke, das an den Blicken seines Herrn altert.
Das hat wohl allein das Recht, klug zu werden.
Alba. Vielleicht eben darum, weil es sich nicht selbst Ã?berlassen ist.
Egmont. Und darum niemand gern sich selbst Ã?berlassen mÃchte. Man
tue, was man will; ich habe auf deine Frage geantwortet und wiederhole: Es
geht nicht! Es kann nicht gehen! Ich kenne meine Landsleute. Es sind
MÃ?nner, wert, Gottes Boden zu betreten; ein jeder rund fÃ?r sich, ein
kleiner KÃnig, fest, rÃ?hrig, fÃ?hig, treu, an alten Sitten hangend. Schwer
ist's, ihr Zutrauen zu verdienen; leicht, zu erhalten. Starr und fest! Zu
drÃ?cken sind sie; nicht zu unterdrÃ?cken.
Alba (der sich indes einigemal umgesehen hat). Solltest du das alles in
des KÃnigs Gegenwart wiederholen?
Egmont. Desto schlimmer, wenn mich seine Gegenwart abschreckte! Desto
besser fÃ?r ihn, fÃ?r sein Volk, wenn er mir Mut machte, wenn er mir
Zutrauen einflÃÃ?te, noch weit mehr zu sagen.
Alba. Was nÃ?tzlich ist, kann ich hÃren wie er.
Egmont. Ich wÃ?rde ihm sagen: Leicht kann der Hirt eine ganze Herde
Schafe vor sich hintreiben, der Stier zieht seinen Pflug ohne Widerstand;
aber dem edeln Pferde, das du reiten willst, muÃ?t du seine Gedanken
ablernen, du muÃ?t nichts Unkluges, nichts unklug von ihm verlangen. Darum
wÃ?nscht der BÃ?rger seine alte Verfassung zu behalten, von seinen
Landsleuten regiert zu sein, weil er weiÃ?, wie er gefÃ?hrt wird, weil er
von ihnen Uneigennutz, Teilnehmung an seinem Schicksal hoffen kann.
Alba. Und sollte der Regent nicht Macht haben, dieses alte Herkommen zu
verÃ?ndern? und sollte nicht eben dies sein schÃnstes Vorrecht sein? Was
ist bleibend auf dieser Welt? und sollte eine Staatseinrichtung bleiben
kÃnnen? MuÃ? nicht in einer Zeitfolge jedes VerhÃ?ltnis sich verÃ?ndern und
eben darum eine alte Verfassung die Ursache von tausend Ã?beln werden, weil
sie den gegenwÃ?rtigen Zustand des Volkes nicht umfaÃ?t? Ich fÃ?rchte, diese
alten Rechte sind darum so angenehm, weil sie Schlupfwinkel bilden, in
welchen der Kluge, der MÃ?chtige, zum Schaden des Volks, zum Schaden des
Ganzen, sich verbergen oder durchschleichen kann.
Egmont. Und diese willkÃ?rlichen VerÃ?nderungen, diese unbeschrÃ?nkten
Eingriffe der hÃchsten Gewalt, sind sie nicht Vorboten, daÃ? einer tun
will, was Tausende nicht tun sollen? Er will sich allein frei machen, um
jeden seiner WÃ?nsche befriedigen, jeden seiner Gedanken ausfÃ?hren zu
kÃnnen. Und wenn wir uns ihm, einem guten weisen KÃnige, ganz vertrauten,
sagt er uns fÃ?r seine Nachkommen gut? daÃ? keiner ohne RÃ?cksicht, ohne
Schonung regieren werde? Wer rettet uns alsdann von vÃlliger WillkÃ?r, wenn
er uns seine Diener, seine NÃ?chsten sendet, die ohne Kenntnis des Landes
und seiner BedÃ?rfnisse nach Belieben schalten und walten, keinen Widerstand
finden und sich von jeder Verantwortung frei wissen.
Alba (der sich indes wieder umgesehen hat). Es ist nichts natÃ?rlicher,
als daÃ? ein KÃnig durch sich zu herrschen gedenkt und denen seine Befehle
am liebsten auftrÃ?gt, die ihn am besten verstehen, verstehen wollen, die
seinen Willen unbedingt ausrichten.
Egmont. Und ebenso natÃ?rlich ist's, daÃ? der BÃ?rger von dem regiert
sein will, der mit ihm geboren und erzogen ist, der gleichen Begriff mit ihm
von Recht und Unrecht gefaÃ?t hat, den er als seinen Bruder ansehen kann.
Alba. Und doch hat der Adel mit diesen seinen BrÃ?dern sehr ungleich
geteilt.
Egmont. Das ist vor Jahrhunderten geschehen und wird jetzt ohne Neid
geduldet. WÃ?rden aber neue Menschen ohne Not gesendet, die sich zum
zweitenmale auf Unkosten der Nation bereichern wollten, sÃ?he man sich einer
strengen, kÃ?hnen, unbedingten Habsucht ausgesetzt; das wÃ?rde eine GÃ?rung
machen, die sich nicht leicht in sich selbst auflÃste.
Alba. Du sagst mir, was ich nicht hÃren sollte: auch ich bin fremd.
Egmont. DaÃ? ich dir's sage, zeigt dir, daÃ? ich dich nicht meine.
Alba. Und auch so wÃ?nscht' ich es nicht von dir zu hÃren. Der KÃnig
sandte mich mit Hoffnung, daÃ? ich hier den Beistand des Adels finden
wÃ?rde. Der KÃnig will seinen Willen. Der KÃnig hat nach tiefer
Ã?berlegung gesehen, was dem Volke frommt; es kann nicht bleiben und gehen
wie bisher. Des KÃnigs Absicht ist, sie selbst zu ihrem eignen Besten
einzuschrÃ?nken, ihr eigenes Heil, wenn's sein muÃ?, ihnen aufzudringen, die
schÃ?dlichen BÃ?rger aufzuopfern, damit die Ã?brigen Ruhe finden, des
GlÃ?cks einer weisen Regierung genieÃ?en kÃnnen. Dies ist sein EntschluÃ?;
diesen dem Adel kundzumachen habe ich Befehl; und Rat verlang ich in seinem
Namen, wie es zu tun sei, nicht was: denn das hat er beschlossen.
Egmont. Leider rechtfertigen deine Worte die Furcht des Volkes, die
allgemeine Furcht! So hat er denn beschlossen, was kein FÃ?rst beschlieÃ?en
sollte. Die Kraft seines Volks, ihr GemÃ?t, den Begriff, den sie von sich
selbst haben, will er schwÃ?chen, niederdrÃ?cken, zerstÃren, um sie bequem
regieren zu kÃnnen. Er will den innern Kern ihrer Eigenheit verderben;
gewiÃ? in der Absicht, sie glÃ?cklicher zu machen. Er will sie vernichten,
damit sie etwas werden, ein ander Etwas. O wenn seine Absicht gut ist, so
wird sie miÃ?geleitet! Nicht dem KÃnige widersetzt man sich; man stellt
sich nur dem KÃnige entgegen, der einen falschen Weg zu wandeln, die ersten
unglÃ?cklichen Schritte macht.
Alba. Wie du gesinnt bist, scheint es ein vergeblicher Versuch, uns
vereinigen zu wollen. Du denkst gering vom KÃnige und verÃ?chtlich von
seinen RÃ?ten, wenn du zweifelst, das alles sei nicht schon gedacht,
geprÃ?ft, gewogen worden. Ich habe keinen Auftrag, jedes FÃ?r und Wider noch
einmal durchzugehen. Gehorsam fordre ich von dem Volke: - und von Euch, ihr
Ersten, Edelsten, Rat und Tat, als BÃ?rgen dieser unbedingten Pflicht.
Egmont. Fordre unsre HÃ?upter, so ist es auf einmal getan. Ob sich der
Nacken diesem Joche biegen, ob er sich vor dem Beile ducken soll, kann einer
edeln Seele gleich sein. Umsonst hab ich so viel gesprochen: die Luft hab
ich erschÃ?ttert, weiter nichts gewonnen.
(Ferdinand kommt.)
Ferdinand. Verzeiht, daÃ? ich Euer GesprÃ?ch unterbreche. Hier ist ein
Brief, dessen Ã?berbringer die Antwort dringend macht.
Alba. Erlaubt mir, daÃ? ich sehe, was er enthÃ?lt. (Tritt an die
Seite.)
Ferdinand (zu Egmont). Es ist ein schÃnes Pferd, das Eure Leute
gebracht haben, Euch abzuholen.
Egmont. Es ist nicht das schlimmste. Ich hab es schon eine Weile; ich
denk es wegzugeben. Wenn es Euch gefÃ?llt, so werden wir vielleicht des
Handels einig.
Ferdinand. Gut, wir wollen sehn.
(Alba winkt seinem Sohne, der sich in den Grund zurÃ?ckzieht.)
Egmont. Lebt wohl! EntlaÃ?t mich: denn ich wÃ?Ã?te, bei Gott! nicht
mehr zu sagen.
Alba. GlÃ?cklich hat dich der Zufall verhindert, deinen Sinn noch
weiter zu verraten. Unvorsichtig entwickelst du die Falten deines Herzens
und klagst dich selbst weit strenger an, als ein Widersacher gehÃ?ssig tun
kÃnnte.
Egmont. Dieser Vorwurf rÃ?hrt mich nicht; ich kenne mich selbst genug
und weiÃ?, wie ich dem KÃnig angehÃre; weit mehr als viele, die in seinem
Dienst sich selber dienen. Ungern scheid ich aus diesem Streite, ohne ihn
beigelegt zu sehen, und wÃ?nsche nur, daÃ? uns der Dienst des Herrn, das
Wohl des Landes bald vereinigen mÃge. Es wirkt vielleicht ein wiederholtes
GesprÃ?ch, die Gegenwart der Ã?brigen FÃ?rsten, die heute fehlen, in einem
glÃ?cklichern Augenblick, was heut unmÃglich scheint. Mit dieser Hoffnung
entfern ich mich.
Alba (der zugleich seinem Sohn Ferdinand ein Zeichen gibt). Halt,
Egmont! - Deinen Degen! -
(Die MitteltÃ?r Ãffnet sich: man sieht die Galerie mit Wache besetzt,
die unbeweglich bleibt.)
Egmont (der staunend eine Weile geschwiegen). Dies war die Absicht?
Dazu hast du mich berufen? (Nach dem Degen greifend, als wenn er sich
verteidigen wollte.) Bin ich denn wehrlos?
Alba. Der KÃnig befiehlt's, du bist mein Gefangener.
(Zugleich treten von beiden Seiten Gewaffnete herein.)
Egmont (nach einer Stille). Der KÃnig? - Oranien! Oranien! (Nach einer
Pause, seinen Degen hingebend.) So nimm ihn! Er hat weit Ãfter des KÃnigs
Sache verteidigt, als diese Brust beschÃ?tzt.
(Er geht durch die MitteltÃ?r ab: die Gewaffneten, die im Zimmer sind,
folgen ihm; ingleichen Albas Sohn. Alba bleibt stehen. Der Vorhang fÃ?llt.)
FÃ?nfter Aufzug
StraÃ?e
DÃ?mmerung
KlÃ?rchen. Brackenburg. BÃ?rger.
Brackenburg. Liebchen, um Gottes willen, was nimmst du vor?
KlÃ?rchen. Komm mit, Brackenburg! Du muÃ?t die Menschen nicht kennen;
wir befreien ihn gewiÃ?. Denn was gleicht ihrer Liebe zu ihm? Jeder fÃ?hlt,
ich schwÃr es, in sich die brennende Begier, ihn zu retten, die Gefahr von
einem kostbaren Leben abzuwenden und dem Freiesten die Freiheit
wiederzugeben. Komm! Es fehlt nur an der Stimme, die sie zusammenruft. In
ihrer Seele lebt noch ganz frisch, was sie ihm schuldig sind! und daÃ? sein
mÃ?chtiger Arm allein von ihnen das Verderben abhÃ?lt, wissen sie. Um
seinet- und ihretwillen mÃ?ssen sie alles wagen. Und was wagen wir? Zum
hÃchsten unser Leben, das zu erhalten nicht der MÃ?he wert ist, wenn er
umkommt.
Brackenburg. UnglÃ?ckliche! du siehst nicht die Gewalt, die uns mit
ehernen Banden gefesselt hat.
KlÃ?rchen. Sie scheint mir nicht unÃ?berwindlich. LaÃ? uns nicht lang
vergebliche Worte wechseln. Hier kommen von den alten, redlichen, wackern
MÃ?nnern! HÃrt, Freunde! Nachbarn, hÃrt! - Sagt, wie ist es mit Egmont?
Zimmermeister. Was will das Kind? LaÃ? sie schweigen,
KlÃ?rchen. Tretet nÃ?her, daÃ? wir sachte reden, bis wir einig sind und
stÃ?rker. Wir dÃ?rfen nicht einen Augenblick versÃ?umen! Die freche
Tyrannei, die es wagt, ihn zu fesseln, zuckt schon den Dolch, ihn zu
ermorden. O Freunde! mit jedem Schritt der DÃ?mmerung werd ich Ã?ngstlicher.
Ich fÃ?rchte diese Nacht! Kommt! wir wollen uns teilen; mit schnellem Lauf
von Quartier zu Quartier rufen wir die BÃ?rger heraus. Ein jeder greife zu
seinen alten Waffen. Auf dem Markte treffen wir uns wieder, und unser Strom
reiÃ?t einen jeden mit sich fort. Die Feinde sehen sich umringt und
Ã?berschwemmt, und sind erdrÃ?ckt. Was kann uns eine Handvoll Knechte
widerstehen? Und er in unsrer Mitte kehrt zurÃ?ck, sieht sich befreit und
kann uns einmal danken, uns, die wir ihm so tief verschuldet worden. Er
sieht vielleicht - gewiÃ? er sieht das Morgenrot am freien Himmel wieder.
Zimmermeister. Wie ist dir, MÃ?dchen?
KlÃ?rchen. KÃnnt ihr mich miÃ?verstehn? Vom Grafen sprech ich! Ich
spreche von Egmont.
Jetter. Nennt den Namen nicht! Er ist tÃdlich.
KlÃ?rchen. Den Namen nicht! Wie? Nicht diesen Namen? Wer nennt ihn
nicht bei jeder Gelegenheit? Wo steht er nicht geschrieben? In diesen
Sternen hab ich oft mit allen seinen Lettern ihn gelesen. Nicht nennen? Was
soll das? Freunde! Gute, teure Nachbarn, ihr trÃ?umt; besinnt euch. Seht
mich nicht so starr und Ã?ngstlich an! Blickt nicht schÃ?chtern hie und da
beiseite. Ich ruf euch ja nur zu, was jeder wÃ?nscht. Ist meine Stimme nicht
eures Herzens eigne Stimme? Wer wÃ?rfe sich in dieser bangen Nacht, eh' er
sein unruhvolles Bette besteigt, nicht auf die Knie, ihn mit ernstlichem
Gebet vom Himmel zu erringen? Fragt euch einander! frage jeder sich selbst!
und wer spricht mir nicht nach: Â'Egmonts Freiheit oder den Tod!Â'
Jetter. Gott bewahr' uns! Da gibt's ein UnglÃ?ck.
KlÃ?rchen. Bleibt! Bleibt, und drÃ?ckt euch nicht vor seinem Namen weg,
dem ihr euch sonst so froh entgegendrÃ?ngtet! - Wenn der Ruf ihn
ankÃ?ndigte, wenn es hieÃ?: Â'Egmont kommt! Er kommt von Gent!Â' da hielten
die Bewohner der StraÃ?en sich glÃ?cklich, durch die er reiten muÃ?te. Und
wenn ihr seine Pferde schallen hÃrtet, warf jeder seine Arbeit hin, und
Ã?ber die bekÃ?mmerten Gesichter, die ihr durchs Fenster stecktet, fuhr wie
ein Sonnenstrahl von seinem Angesichte ein Blick der Freude und Hoffnung. Da
hobt ihr eure Kinder auf der TÃ?rschwelle in die HÃhe und deutetet ihnen:
Â'Sieh, das ist Egmont, der GrÃÃ?te da! Er ist's! Er ist's, von dem ihr
bessere Zeiten, als eure armen VÃ?ter lebten, einst zu erwarten habt.Â'
LaÃ?t eure Kinder nicht dereinst euch fragen: Â'Wo ist er hin? Wo sind die
Zeiten hin, die ihr verspracht?Â' - Und so wechseln wir Worte! sind mÃ?Ã?ig,
verraten ihn.
Soest. SchÃ?mt Euch, Brackenburg! LaÃ?t sie nicht gewÃ?hren! Steuert
dem Unheil!
Brackenburg. Liebes KlÃ?rchen! wir wollen gehen! Was wird die Mutter
sagen? Vielleicht -
KlÃ?rchen. Meinst du, ich sei ein Kind oder wahnsinnig? Was kann
vielleicht? - Von dieser schrecklichen GewiÃ?heit bringst du mich mit keiner
Hoffnung weg. - Ihr sollt mich hÃren und ihr werdet: denn ich seh's, ihr
seid bestÃ?rzt und kÃnnt euch selbst in euerm Busen nicht wiederfinden.
LaÃ?t durch die gegenwÃ?rtige Gefahr nur einen Blick in das Vergangene
dringen, das kurz Vergangene. Wendet eure Gedanken nach der Zukunft. KÃnnt
ihr denn leben? werdet ihr, wenn er zugrunde geht? Mit seinem Atem flieht
der letzte Hauch der Freiheit. Was war er euch? FÃ?r wen Ã?bergab er sich
der dringendsten Gefahr? Seine Wunden flossen und heilten nur fÃ?r euch. Die
groÃ?e Seele, die euch alle trug, beschrÃ?nkt ein Kerker, und Schauer
tÃ?ckischen Mordes schweben um sie her. Er denkt vielleicht an euch, er
hofft auf euch, er, der nur zu geben, nur zu erfÃ?llen gewohnt war.
Zimmermeister. Gevatter, kommt.
KlÃ?rchen. Und ich habe nicht Arme, nicht Mark wie ihr; doch hab ich,
was euch allen eben fehlt, Mut und Verachtung der Gefahr. KÃnnt' euch mein
Atem doch entzÃ?nden! kÃnnt' ich an meinen Busen drÃ?ckend euch erwÃ?rmen
und beleben! Kommt! In eurer Mitte will ich gehen! - Wie eine Fahne wehrlos
ein edles Heer von Kriegern wehend anfÃ?hrt, so soll mein Geist um eure
HÃ?upter flammen, und Liebe und Mut das schwankende zerstreute Volk zu einem
fÃ?rchterlichen Heer vereinigen.
Jetter. Schaff sie beiseite, sie dauert mich. (BÃ?rger ab.)
Brackenburg. KlÃ?rchen! siehst du nicht, wo wir sind?
KlÃ?rchen. Wo? Unter dem Himmel, der so oft sich herrlicher zu wÃlben
schien, wenn der Edle unter ihm herging. Aus diesen Fenstern haben sie
herausgesehn, vier, fÃ?nf KÃpfe Ã?bereinander; an diesen TÃ?ren haben sie
gescharrt und genickt, wenn er auf die Memmen herabsah. O ich hatte sie so
lieb, wie sie ihn ehrten! WÃ?re er Tyrann gewesen, mÃchten sie immer vor
seinem Falle seitwÃ?rts gehn. Aber sie liebten ihn! - O ihr HÃ?nde, die ihr
an die MÃ?tzen grifft, zum Schwert kÃnnt ihr nicht greifen - Brackenburg,
und wir? - Schelten wir sie? - Diese Arme, die ihn so oft fest hielten, was
tun sie fÃ?r ihn? - List hat in der Welt so viel erreicht - Du kennst Wege
und Stege, kennst das alte SchloÃ?. Es ist nichts unmÃglich, gib mir einen
Anschlag.
Brackenburg. Wenn wir nach Hause gingen!
KlÃ?rchen. Gut.
Brackenburg. Dort an der Ecke seh ich Albas Wache; laÃ? doch die Stimme
der Vernunft dir zu Herzen dringen. HÃ?ltst du mich fÃ?r feig? Glaubst du
nicht, daÃ? ich um deinetwillen sterben kÃnnte? Hier sind wir beide toll,
ich so gut wie du. Siehst du nicht das UnmÃgliche? Wenn du dich faÃ?test!
Du bist auÃ?er dir.
KlÃ?rchen. AuÃ?er mir! Abscheulich! Brackenburg, ihr seid auÃ?er euch.
Da ihr laut den Helden verehrtet, ihn Freund und Schutz und Hoffnung
nanntet, ihm Vivat rieft, wenn er kam: da stand ich in meinem Winkel, schob
das Fenster halb auf, verbarg mich lauschend, und das Herz schlug mir hÃher
als euch allen. Jetzt schlÃ?gt mir's wieder hÃher als euch allen! Ihr
verbergt euch, da es not ist, verleugnet ihn und fÃ?hlt nicht, daÃ? ihr
untergeht, wenn er verdirbt.
Brackenburg. Komm nach Hause.
KlÃ?rchen. Nach Hause?
Brackenburg. Besinne dich nur! Sieh dich um! Dies sind die StraÃ?en,
die du nur sonntÃ?glich betratst, durch die du sittsam nach der Kirche
gingst, wo du Ã?bertrieben ehrbar zÃ?rntest, wenn ich mit einem freundlichen
grÃ?Ã?enden Wort mich zu dir gesellte. Du stehst und redest, handelst vor
den Augen der offnen Welt; besinne dich, Liebe! wozu hilft es uns?
KlÃ?rchen. Nach Hause! Ja, ich besinne mich. Komm, Brackenburg, nach
Hause! WeiÃ?t du, wo meine Heimat ist? (Ab.)
GefÃ?ngnis,
durch eine Lampe erhellt, ein Ruhebett im Grunde
Egmont (allein). Alter Freund! immer getreuer Schlaf, fliehst du mich
auch wie die Ã?brigen Freunde? Wie willig senktest du dich auf mein freies
Haupt herunter und kÃ?hltest wie ein schÃner Myrtenkranz der Liebe meine
SchlÃ?fe! Mitten unter Waffen, auf der Woge des Lebens, ruht' ich leicht
atmend, wie ein aufquellender Knabe, in deinen Armen. Wenn StÃ?rme durch
Zweige und BlÃ?tter sausten, Ast und Wipfel sich knirrend bewegten, blieb
innerst doch der Kern des Herzens ungeregt. Was schÃ?ttelt dich nun? was
erschÃ?ttert den festen treuen Sinn? Ich fÃ?hl's, es ist der Klang der
Mordaxt, die an meiner Wurzel nascht. Noch steh ich aufrecht, und ein innrer
Schauer durchfÃ?hrt mich. Ja, sie Ã?berwindet, die verrÃ?terische Gewalt;
sie untergrÃ?bt den festen hohen Stamm, und eh' die Rinde dorrt, stÃ?rzt
krachend und zerschmetternd deine Krone.
Warum denn jetzt, der du so oft gewalt'ge Sorgen gleich Seifenblasen
dir vom Haupte weggewiesen, warum vermagst du nicht die Ahnung zu
verscheuchen, die tausendfach in dir sich auf- und niedertreibt? Seit wann
begegnet der Tod dir fÃ?rchterlich, mit dessen wechselnden Bildern, wie mit
den Ã?brigen Gestalten der gewohnten Erde, du gelassen lebtest? - Auch ist
er's nicht, der rasche Feind, dem die gesunde Brust wetteifernd sich
entgegensehnt; der Kerker ist's, des Grabes Vorbild, dem Helden wie dem
Feigen widerlich. Unleidlich ward mir's schon auf meinem gepolsterten
Stuhle, wenn in stattlicher Versammlung die FÃ?rsten, was leicht zu
entscheiden war, mit wiederkehrenden GesprÃ?chen Ã?berlegten, und zwischen
dÃ?stern WÃ?nden eines Saals die Balken der Decke mich erdrÃ?ckten. Da eilt'
ich fort, sobald es mÃglich war, und rasch aufs Pferd mit tiefem Atemzuge.
Und frisch hinaus, da wo wir hingehÃren! ins Feld, wo aus der Erde dampfend
jede nÃ?chste Wohltat der Natur und durch die Himmel wehend alle Segen der
Gestirne uns umwittern; wo wir, dem erdgebornen Riesen gleich, von der
BerÃ?hrung unsrer Mutter krÃ?ftiger uns in die HÃhe reiÃ?en; wo wir die
Menschheit ganz und menschliche Begier in allen Adern fÃ?hlen; wo das
Verlangen, vorzudringen, zu besiegen, zu erhaschen, seine Faust zu brauchen,
zu besitzen, zu erobern, durch die Seele des jungen JÃ?gers glÃ?ht; wo der
Soldat sein angebornes Recht auf alle Welt mit raschem Schritt sich anmaÃ?t
und in fÃ?rchterlicher Freiheit wie ein Hagelwetter durch Wiese, Feld und
Wald verderbend streicht und keine Grenzen kennt, die Menschenhand gezogen.
Du bist nur Bild, Erinnerungstraum des GlÃ?cks, das ich so lang
besessen; wo hat dich das Geschick verrÃ?terisch hingefÃ?hrt? Versagt es
dir, den nie gescheuten Tod im Angesicht der Sonne rasch zu gÃnnen, um dir
des Grabes Vorgeschmack im ekeln Moder zu bereiten? Wie haucht er mich aus
diesen Steinen widrig an! Schon starrt das Leben, vor dem Ruhebette wie vor
dem Grabe scheut der FuÃ?. -
O Sorge! Sorge! die du vor der Zeit den Mord beginnst, laÃ? ab! - Seit
wann ist Egmont denn allein, so ganz allein in dieser Welt? Dich macht der
Zweifel hÃ?lflos, nicht das GlÃ?ck. Ist die Gerechtigkeit des KÃnigs, der
du lebenslang vertrautest, ist der Regentin Freundschaft, die fast (du
darfst es dir gestehn), fast Liebe war, sind sie auf einmal, wie ein
glÃ?nzend Feuerbild der Nacht, verschwunden? und lassen dich allein auf
dunkelm Pfad zurÃ?ck? Wird an der Spitze deiner Freunde Oranien nicht wagend
sinnen? Wird nicht ein Volk sich sammeln und mit anschwellender Gewalt den
alten Freund erretten?
O haltet, Mauern, die ihr mich einschlieÃ?t, so vieler Geister
wohlgemeintes DrÃ?ngen nicht von mir ab; und welcher Mut aus meinen Augen
sonst sich Ã?ber sie ergoÃ?, der kehre nun aus ihren Herzen in meines
wieder. O ja, sie rÃ?hren sich zu Tausenden! sie kommen! stehen mir zur
Seite! Ihr frommer Wunsch eilt dringend zu dem Himmel, er bittet um ein
Wunder. Und steigt zu meiner Rettung nicht ein Engel nieder, so seh ich sie
nach Lanz und Schwertern greifen. Die Tore spalten sich, die Gitter
springen, die Mauer stÃ?rzt von ihren HÃ?nden ein, und der Freiheit des
einbrechenden Tages steigt Egmont frÃhlich entgegen. Wie manch bekannt
Gesicht empfÃ?ngt mich jauchzend! Ach KlÃ?rchen, wÃ?rst du Mann; so sÃ?h'
ich dich gewiÃ? auch hier zuerst und dankte dir, was einem KÃnige zu danken
hart ist, Freiheit.
KlÃ?rchens Haus
KlÃ?rchen (kommt mit einer Lampe und einem Glas Wasser aus der Kammer;
sie setzt das Glas auf den Tisch und tritt ans Fenster). Brackenburg? Seid
Ihr's? Was hÃrt' ich denn? noch niemand? Es war niemand! Ich will die Lampe
ins Fenster setzen, daÃ? er sieht, ich wache noch, ich warte noch auf ihn.
Er hat mir Nachricht versprochen. Nachricht? Entsetzliche GewiÃ?heit! -
Egmont verurteilt! - Welch Gericht darf ihn fordern? und sie verdammen ihn!
Der KÃnig verdammt ihn? oder der Herzog? Und die Regentin entzieht sich!
Oranien zaudert, und alle seine Freunde! - - Ist dies die Welt, von deren
Wankelmut, UnzuverlÃ?ssigkeit ich viel gehÃrt und nichts empfunden habe?
Ist dies die Welt? - Wer wÃ?re bÃs genug, den Teuern anzufeinden? WÃ?re
Bosheit mÃ?chtig genug, den allgemein Erkannten schnell zu stÃ?rzen? Doch
ist es so - es ist - O Egmont, sicher hielt ich dich vor Gott und Menschen,
wie in meinen Armen! Was war ich dir? Du hast mich dein genannt, mein ganzes
Leben widmete ich deinem Leben. - Was bin ich nun? Vergebens streck ich nach
der Schlinge, die dich faÃ?t, die Hand aus. Du hÃ?lflos und ich frei! - Hier
ist der SchlÃ?ssel zu meiner TÃ?r. An meiner WillkÃ?r hÃ?ngt mein Gehen und
mein Kommen, und dir bin ich zu nichts! - - O bindet mich, damit ich nicht
verzweifle; und werft mich in den tiefsten Kerker, daÃ? ich das Haupt an
feuchte Mauern schlage, nach Freiheit winsle, trÃ?ume, wie ich ihm helfen
wollte, wenn Fesseln mich nicht lÃ?hmten, wie ich ihm helfen wÃ?rde. - Nun
bin ich frei, und in der Freiheit liegt die Angst der Ohnmacht. - Mir selbst
bewuÃ?t, nicht fÃ?hig, ein Glied nach seiner HÃ?lfe zu rÃ?hren. Ach leider,
auch der kleine Teil von deinem Wesen, dein KlÃ?rchen, ist wie du gefangen
und regt getrennt im Todeskrampfe nur die letzten KrÃ?fte. - Ich hÃre
schleichen, husten - Brackenburg - er ist's! - Elender guter Mann, dein
Schicksal bleibt sich immer gleich; dein Liebchen Ãffnet dir die
nÃ?chtliche TÃ?r, und ach zu welch unseliger Zusammenkunft!
(Brackenburg tritt auf.)
KlÃ?rchen. Du kommst so bleich und schÃ?chtern, Brackenburg! was ist's?
Brackenburg. Durch Umwege und Gefahren such ich dich auf. Die groÃ?en
StraÃ?en sind besetzt; durch GÃ?Ã?chen und durch Winkel hab ich mich zu dir
gestohlen.
KlÃ?rchen. ErzÃ?hl, wie ist's?
Brackenburg (indem er sich setzt). Ach KlÃ?re, laÃ? mich weinen. Ich
liebt' ihn nicht. Er war der reiche Mann und lockte des Armen einziges Schaf
zur bessern Weide herÃ?ber. Ich hab ihn nie verflucht; Gott hat mich treu
geschaffen und weich. In Schmerzen floÃ? mein Leben vor mir nieder, und zu
verschmachten hofft' ich jeden Tag.
KlÃ?rchen. VergiÃ? das, Brackenburg! VergiÃ? dich selbst. Sprich mir
von ihm! Ist's wahr? Ist er verurteilt?
Brackenburg. Er ist's! ich weiÃ? es ganz genau.
KlÃ?rchen. Und lebt noch?
Brackenburg. Ja, er lebt noch.
KlÃ?rchen. Wie willst du das versichern? - Die Tyrannei ermordet in der
Nacht den Herrlichen! vor allen Augen verborgen flieÃ?t sein Blut.
Ã'ngstlich im Schlafe liegt das betÃ?ubte Volk und trÃ?umt von Rettung,
trÃ?umt ihres ohnmÃ?chtigen Wunsches ErfÃ?llung; indes unwillig Ã?ber uns
sein Geist die Welt verlÃ?Ã?t. Er ist dahin! - TÃ?usche mich nicht! dich
nicht!
Brackenburg. Nein gewiÃ?, er lebt! - Und leider, es bereitet der
Spanier dem Volke, das er zertreten will, ein fÃ?rchterliches Schauspiel,
gewaltsam jedes Herz, das nach der Freiheit sich regt, auf ewig zu
zerknirschen.
KlÃ?rchen. Fahre fort und sprich gelassen auch mein Todesurteil aus!
Ich wandle den seligen Gefilden schon nÃ?her und nÃ?her, mir weht der Trost
aus jenen Gegenden des Friedens schon herÃ?ber. Sag an.
Brackenburg. Ich konnt' es an den Wachen merken, aus Reden, die bald da
bald dorten fielen, daÃ? auf dem Markte geheimnisvoll ein Schrecknis
zubereitet werde. Ich schlich durch Seitenwege, durch bekannte GÃ?nge nach
meines Vettern Hause und sah aus einem Hinterfenster nach dem Markte. - Es
wehten Fackeln in einem weiten Kreise spanischer Soldaten hin und wider. Ich
schÃ?rfte mein ungewohntes Auge, und aus der Nacht stieg mir ein schwarzes
GerÃ?st entgegen, gerÃ?umig hoch; mir grauste vor dem Anblick. GeschÃ?ftig
waren viele rings umher bemÃ?ht, was noch von Holzwerk weiÃ? und sichtbar
war, mit schwarzem Tuch einhÃ?llend zu verkleiden. Die Treppen deckten sie
zuletzt auch schwarz, ich sah es wohl. Sie schienen die Weihe eines
grÃ?Ã?lichen Opfers vorbereitend zu begehn. Ein weiÃ?es Kruzifix, das durch
die Nacht wie Silber blinkte, ward an der einen Seite hoch aufgesteckt. Ich
sah, und sah die schreckliche GewiÃ?heit immer gewisser. Noch wankten
Fackeln hie und da herum; allmÃ?hlich wichen sie und erloschen. Auf einmal
war die scheuÃ?liche Geburt der Nacht in ihrer Mutter SchoÃ? zurÃ?ckgekehrt.
KlÃ?rchen. Still, Brackenburg! Nun still! LaÃ? diese HÃ?lle auf meiner
Seele ruhn. Verschwunden sind die Gespenster, und du, holde Nacht, leih
deinen Mantel der Erde, die in sich gÃ?rt; sie trÃ?gt nicht lÃ?nger die
abscheuliche Last, reiÃ?t ihre tiefen Spalten grausend auf und knirscht das
MordgerÃ?st hinunter. Und irgendeinen Engel sendet der Gott, den sie zum
Zeugen ihrer Wut geschÃ?ndet; vor des Boten heiliger BerÃ?hrung lÃsen sich
Riegel und Bande, und er umgieÃ?t den Freund mit mildem Schimmer; er fÃ?hrt
ihn durch die Nacht zur Freiheit sanft und still. Und auch mein Weg geht
heimlich in dieser Dunkelheit, ihm zu begegnen.
Brackenburg (sie aufhaltend). Mein Kind, wohin? was wagst du?
KlÃ?rchen. Leise, Lieber, daÃ? niemand erwache! daÃ? wir uns selbst
nicht wecken! Kennst du dies FlÃ?schchen, Brackenburg? Ich nahm dir's
scherzend, als du mit Ã?bereiltem Tod oft ungeduldig drohtest. - Und nun,
mein Freund -
Brackenburg. In aller Heiligen Namen! -
KlÃ?rchen. Du hinderst nichts. Tod ist mein Teil! und gÃnne mir den
sanften schnellen Tod, den du dir selbst bereitetest. Gib mir deine Hand! -
Im Augenblick, da ich die dunkle Pforte erÃffne, aus der kein RÃ?ckweg ist,
kÃnnt' ich mit diesem HÃ?ndedruck dir sagen, wie sehr ich dich geliebt, wie
sehr ich dich bejammert. Mein Bruder starb mir jung; dich wÃ?hlt' ich, seine
Stelle zu ersetzen. Es widersprach dein Herz und quÃ?lte sich und mich,
verlangtest heiÃ? und immer heiÃ?er, was dir nicht beschieden war. Vergib
mir und leb wohl! LaÃ? mich dich Bruder nennen! Es ist ein Name, der viel
Namen in sich faÃ?t. Nimm die letzte schÃne Blume der Scheidenden mit
treuem Herzen ab - nimm diesen KuÃ? - Der Tod vereinigt alles, Brackenburg,
uns denn auch.
Brackenburg. So laÃ? mich mit dir sterben! Teile! Teile! Es ist genug,
zwei Leben auszulÃschen.
KlÃ?rchen. Bleib! du sollst leben, du kannst leben. - Steh meiner
Mutter bei, die ohne dich in Armut sich verzehren wÃ?rde. Sei ihr, was ich
ihr nicht mehr sein kann; lebt zusammen und beweint mich. Beweint das
Vaterland und den, der es allein erhalten konnte. Das heutige Geschlecht
wird diesen Jammer nicht los; die Wut der Rache selbst vermag ihn nicht zu
tilgen. Lebt, ihr Armen, die Zeit noch hin, die keine Zeit mehr ist. Heut
steht die Welt auf einmal still; es stockt ihr Kreislauf, und mein Puls
schlÃ?gt kaum noch wenige Minuten. Leb wohl!
Brackenburg. O lebe du mit uns, wie wir fÃ?r dich allein! Du tÃtest
uns in dir, o leb und leide. Wir wollen unzertrennlich dir zu beiden Seiten
stehn, und immer achtsam soll die Liebe den schÃnsten Trost in ihren
lebendigen Armen dir bereiten. Sei unser! Unser! Ich darf nicht sagen: mein.
KlÃ?rchen. Leise, Brackenburg! Du fÃ?hlst nicht, was du rÃ?hrst. Wo
Hoffnung dir erscheint, ist mir Verzweiflung.
Brackenburg. Teile mit den Lebendigen die Hoffnung! Verweil am Rande
des Abgrundes, schau hinab und sieh auf uns zurÃ?ck.
KlÃ?rchen. Ich hab Ã?berwunden, ruf mich nicht wieder zum Streit.
Brackenburg. Du bist betÃ?ubt; gehÃ?llt in Nacht suchst du die Tiefe.
Noch ist nicht jedes Licht erloschen, noch mancher Tag! -
KlÃ?rchen. Weh! Ã?ber dich Weh! Weh! Grausam zerreiÃ?est du den Vorhang
vor meinem Auge. Ja, er wird grauen, der Tag! vergebens alle Nebel um sich
ziehn und wider Willen grauen! Furchtsam schaut der BÃ?rger aus seinem
Fenster, die Nacht lÃ?Ã?t einen schwarzen Flecken zurÃ?ck; er schaut, und
fÃ?rchterlich wÃ?chst im Lichte das MordgerÃ?st. Neu leidend wendet das
entweihte Gottesbild sein flehend Auge zum Vater auf. Die Sonne wagt sich
nicht hervor; sie will die Stunde nicht bezeichnen, in der er sterben soll.
TrÃ?ge gehn die Zeiger ihren Weg, und eine Stunde nach der andern schlÃ?gt.
Halt! Halt! Nun ist es Zeit! mich scheucht des Morgens Ahnung in das Grab.
(Sie tritt ans Fenster, als sÃ?he sie sich um, und trinkt heimlich.)
Brackenburg. KlÃ?re! KlÃ?re!
KlÃ?rchen (geht nach dem Tisch und trinkt das Wasser). Hier ist der
Rest! Ich locke dich nicht nach. Tu, was du darfst, leb wohl. LÃsche diese
Lampe still und ohne Zaudern, ich geh zur Ruhe. Schleiche dich sachte weg,
ziehe die TÃ?r nach dir zu. Still! Wecke meine Mutter nicht! Geh, rette
dich! Rette dich! wenn du nicht mein MÃrder scheinen willst. (Ab.)
Brackenburg. Sie lÃ?Ã?t mich zum letztenmale wie immer. O kÃnnte eine
Menschenseele fÃ?hlen, wie sie ein liebend Herz zerreiÃ?en kann. Sie lÃ?Ã?t
mich stehn, mir selber Ã?berlassen; und Tod und Leben ist mir gleich
verhaÃ?t. - Allein zu sterben! - Weint, ihr Liebenden! Kein hÃ?rter
Schicksal ist als meins! Sie teilt mit mir den Todestropfen und schickt mich
weg! von ihrer Seite weg! sie zieht mich nach und stÃÃ?t ins Leben mich
zurÃ?ck. O Egmont, welch preiswÃ?rdig Los fÃ?llt dir! Sie geht voran; der
Kranz des Siegs aus ihrer Hand ist dein, sie bringt den ganzen Himmel dir
entgegen! - Und soll ich folgen? wieder seitwÃ?rts stehn? den
unauslÃschlichen Neid in jene Wohnungen hinÃ?bertragen? - Auf Erden ist
kein Bleiben mehr fÃ?r mich, und HÃll und Himmel bieten gleiche Qual. Wie
wÃ?re der Vernichtung Schreckenshand dem UnglÃ?ckseligen will kommen!
(Brackenburg geht ab; das Theater bleibt einige Zeit unverÃ?ndert. Eine
Musik, KlÃ?rchens Tod bezeichnend, beginnt; die Lampe, welche Brackenburg
auszulÃschen vergessen, flammt noch einigemal auf, dann erlischt sie. Bald
verwandelt sich der Schauplatz in das
GefÃ?ngnis
Egmont liegt schlafend auf dem Ruhebette. Es entsteht ein Gerassel mit
SchlÃ?sseln, und die TÃ?r tut sich auf. Diener mit Fackeln treten herein;
ihnen folgt Ferdinand, Albas Sohn, und Silva, begleitet von Gewaffneten.
Egmont fÃ?hrt aus dem Schlaf auf.)
Egmont. Wer seid ihr? die ihr mir unfreundlich den Schlaf von den Augen
schÃ?ttelt. Was kÃ?nden eure trotzigen, unsichern Blicke mir an? Warum
diesen fÃ?rchterlichen Aufzug? Welchen Schreckenstraum kommt ihr der halb
erwachten Seele vorzulÃ?gen?
Silva. Uns schickt der Herzog, dir dein Urteil anzukÃ?ndigen.
Egmont. Bringst du den Henker auch mit, es zu vollziehen?
Silva. Vernimm es, so wirst du wissen, was deiner wartet.
Egmont. So ziemt es euch und euerm schÃ?ndlichen Beginnen! In Nacht
gebrÃ?tet und in Nacht vollfÃ?hrt. So mag diese freche Tat der
Ungerechtigkeit sich verbergen! - Tritt kÃ?hn hervor, der du das Schwert
verhÃ?llt unter dem Mantel trÃ?gst; hier ist mein Haupt, das freieste, das
je die Tyrannei vom Rumpf gerissen.
Silva. Du irrst! Was gerechte Richter beschlieÃ?en, werden sie vorm
Angesicht des Tages nicht verbergen.
Egmont. So Ã?bersteigt die Frechheit jeden Begriff und Gedanken.
Silva (nimmt einem Dabeistehenden das Urteil ab, entfaltet's und
liest's). Â'Im Namen des KÃnigs, und kraft besonderer von Seiner MajestÃ?t
uns Ã?bertragenen Gewalt, alle seine Untertanen, wes Standes sie seien,
zugleich die Ritter des Goldnen Vlieses zu richten, erkennen wirÂ' -
Egmont. Kann die der KÃnig Ã?bertragen?
Silva. Â'Erkennen wir, nach vorgÃ?ngiger genauer, gesetzlicher
Untersuchung, dich Heinrich Grafen Egmont, Prinzen von Gaure, des
Hochverrats schuldig und sprechen das Urteil: daÃ? du mit der FrÃ?he des
einbrechenden Morgens aus dem Kerker auf den Markt gefÃ?hrt und dort, vorm
Angesicht des Volks, zur Warnung aller VerrÃ?ter mit dem Schwerte vom Leben
zum Tode gebracht werden sollest. Gegeben BrÃ?ssel imÂ' (Datum und Jahrzahl
werden undeutlich gelesen, so, daÃ? sie der ZuhÃrer nicht versteht.)
Â'Ferdinand, Herzog von Alba,
Vorsitzer des Gerichts der ZwÃlfe.Â'
Du weiÃ?t nun dein Schicksal; es bleibt dir wenige Zeit, dich drein zu
ergeben, dein Haus zu bestellen und von den Deinigen Abschied zu nehmen.
(Silva mit dem Gefolge geht ab. Es bleibt Ferdinand und zwei Fackeln;
das Theater ist mÃ?Ã?ig erleuchtet.)
Egmont (hat eine Weile in sich versenkt stille gestanden und Silva,
ohne sich umzusehn, abgehen lassen. Er glaubt sich allein, und da er die
Augen aufhebt, erblickt er Albas Sohn). Du stehst und bleibst? Willst du
mein Erstaunen, mein Entsetzen noch durch deine Gegenwart vermehren? Willst
du noch etwa die willkommne Botschaft deinem Vater bringen, daÃ? ich
unmÃ?nnlich verzweifle? Geh! Sag ihm! Sag ihm, daÃ? er weder mich noch die
Welt belÃ?gt. Ihm, dem RuhmsÃ?chtigen, wird man es erst hinter den Schultern
leise lispeln, dann laut und lauter sagen, und wenn er einst von diesem
Gipfel herabsteigt, werden tausend Stimmen es ihm entgegenrufen! Nicht das
Wohl des Staats, nicht die WÃ?rde des KÃnigs, nicht die Ruhe der Provinzen
haben ihn hierher gebracht. Um sein selbst willen hat er Krieg geraten, daÃ?
der Krieger im Kriege gelte. Er hat diese ungeheure Verwirrung erregt, damit
man seiner bedÃ?rfe. Und ich falle, ein Opfer seines niedrigen Hasses,
seines kleinlichen Neides. Ja, ich weiÃ? es, und ich darf es sagen; der
Sterbende, der tÃdlich Verwundete kann es sagen: mich hat der Eingebildete
beneidet; mich wegzutilgen hat er lange gesonnen und gedacht.
Schon damals, als wir noch jÃ?nger mit WÃ?rfeln spielten und die Haufen
Goldes, einer nach dem andern, von seiner Seite zu mir herÃ?bereilten, da
stand er grimmig, log Gelassenheit, und innerlich verzehrte ihn die
Ã'rgernis, mehr Ã?ber mein GlÃ?ck als Ã?ber seinen Verlust. Noch erinnere
ich mich des funkelnden Blicks, der verrÃ?terischen BlÃ?sse, als wir an
einem Ãffentlichen Feste vor vielen tausend Menschen um die Wette schossen.
Er forderte mich auf, und beide Nationen standen; die Spanier, die
NiederlÃ?nder wetteten und wÃ?nschten. Ich Ã?berwand ihn; seine Kugel irrte,
die meine traf; ein lauter Freudenschrei der Meinigen durchbrach die Luft.
Nun trifft mich sein GeschoÃ?. Sag ihm, daÃ? ich's weiÃ?, daÃ? ich ihn
kenne, daÃ? die Welt jede Siegszeichen verachtet, die ein kleiner Geist
erschleichend sich aufrichtet. Und du! wenn einem Sohne mÃglich ist, von
der Sitte des Vaters zu weichen, Ã?be beizeiten die Scham, indem du dich
fÃ?r den schÃ?mst, den du gerne von ganzem Herzen verehren mÃchtest.
Ferdinand. Ich hÃre dich an, ohne dich zu unterbrechen! Deine
VorwÃ?rfe lasten wie KeulschlÃ?ge auf einem Helm; ich fÃ?hle die
ErschÃ?tterung, aber ich bin bewaffnet. Du triffst mich, du verwundest mich
nicht; fÃ?hlbar ist mir allein der Schmerz, der mir den Busen zerreiÃ?t.
Wehe mir! Wehe! Zu einem solchen Anblick bin ich aufgewachsen, zu einem
solchen Schauspiele bin ich gesendet!
Egmont. Du brichst in Klagen aus? Was rÃ?hrt, was bekÃ?mmert dich? Ist
es eine spÃ?te Reue, daÃ? du der schÃ?ndlichen VerschwÃrung deinen Dienst
geliehen? Du bist so jung und hast ein glÃ?ckliches Ansehn. Du warst so
zutraulich, so freundlich gegen mich. Solang ich dich sah, war ich mit
deinem Vater versÃhnt. Und ebenso verstellt, verstellter als er, lockst du
mich in das Netz. Du bist der Abscheuliche! Wer ihm traut, mag er es auf
seine Gefahr tun; aber wer fÃ?rchtete Gefahr, dir zu vertrauen? Geh! Geh!
Raube mir nicht die wenigen Augenblicke! Geh, daÃ? ich mich sammle, die Welt
und dich zuerst vergesse! -
Ferdinand. Was soll ich dir sagen? Ich stehe und sehe dich an, und sehe
dich nicht, und fÃ?hle mich nicht. Soll ich mich entschuldigen? Soll ich dir
versichern, daÃ? ich erst spÃ?t, erst ganz zuletzt des Vaters Absichten
erfuhr, daÃ? ich als ein gezwungenes, ein lebloses Werkzeug seines Willens
handelte? Was fruchtet's, welche Meinung du von mir haben magst? Du bist
verloren; und ich UnglÃ?cklicher stehe nur da, um dir's zu versichern, um
dich zu bejammern.
Egmont. Welche sonderbare Stimme, welch ein unerwarteter Trost begegnet
mir auf dem Wege zum Grabe? Du, Sohn meines ersten, meines fast einzigen
Feindes, du bedauerst mich, du bist nicht unter meinen MÃrdern? Sage, rede!
FÃ?r wen soll ich dich halten?
Ferdinand. Grausamer Vater! Ja ich erkenne dich in diesem Befehle. Du
kanntest mein Herz, meine Gesinnung, die du so oft als Erbteil einer
zÃ?rtlichen Mutter schaltest. Mich dir gleich zu bilden, sandtest du mich
hierher. Diesen Mann am Rande des gÃ?hnenden Grabes, in der Gewalt eines
willkÃ?rlichen Todes zu sehen, zwingst du mich, daÃ? ich den tiefsten
Schmerz empfinde, daÃ? ich taub gegen alles Schicksal, daÃ? ich
unempfindlich werde, es geschehe mir, was wolle.
Egmont. Ich erstaune! Fasse dich! Stehe, rede wie ein Mann.
Ferdinand. O daÃ? ich ein Weib wÃ?re! daÃ? man mir sagen kÃnnte: was
rÃ?hrt dich? was ficht dich an? Sage mir ein grÃÃ?eres, ein ungeheureres
Ã?bel, mache mich zum Zeugen einer schrecklichern Tat; ich will dir danken,
ich will sagen: es war nichts.
Egmont. Du verlierst dich. Wo bist du?
Ferdinand. LaÃ? diese Leidenschaft rasen, laÃ? mich losgebunden klagen!
Ich will nicht standhaft scheinen, wenn alles in mir zusammenbricht. Dich
soll ich hier sehn? - Dich? - Es ist entsetzlich! Du verstehst mich nicht!
Und sollst du mich verstehen? Egmont! Egmont! (Ihm um den Hals fallend.)
Egmont. LÃse mir das Geheimnis.
Ferdinand. Kein Geheimnis.
Egmont. Wie bewegt dich so tief das Schicksal eines fremden Mannes?
Ferdinand. Nicht fremd! Du bist mir nicht fremd. Dein Name war's, der
mir in meiner ersten Jugend gleich einem Stern des Himmels
entgegenleuchtete. Wie oft hab ich nach dir gehorcht, gefragt! Des Kindes
Hoffnung ist der JÃ?ngling, des JÃ?nglings der Mann. So bist du vor mir her
geschritten; immer vor, und ohne Neid sah ich dich vor, und schritt dir
nach, und fort und fort. Nun hofft' ich endlich dich zu sehen, und sah dich,
und mein Herz flog dir entgegen. Dich hatt' ich mir bestimmt, und wÃ?hlte
dich aufs neue, da ich dich sah. Nun hofft' ich erst, mit dir zu sein, mit
dir zu leben, dich zu fassen, dich - Das ist nun alles weggeschnitten, und
ich sehe dich hier!
Egmont. Mein Freund, wenn es dir wohltun kann, so nimm die
Versicherung, daÃ? im ersten Augenblick mein GemÃ?t dir entgegenkam. Und
hÃre mich. LaÃ? uns ein ruhiges Wort untereinander wechseln. Sage mir: ist
es der strenge, ernste Wille deines Vaters, mich zu tÃten?
Ferdinand. Er ist's.
Egmont. Dieses Urteil wÃ?re nicht ein leeres Schreckbild mich zu
Ã?ngstigen, durch Furcht und Drohung zu strafen: mich zu erniedrigen und
dann mit kÃniglicher Gnade mich wieder aufzuheben?
Ferdinand. Nein, ach leider nein! Anfangs schmeichelte ich mir selbst
mit dieser ausweichenden Hoffnung; und schon da empfand ich Angst und
Schmerz, dich in diesem Zustande zu sehen. Nun ist es wirklich, ist gewiÃ?.
Nein, ich regiere mich nicht. Wer gibt mir eine HÃ?lfe, wer einen Rat, dem
Unvermeidlichen zu entgehen?
Egmont. So hÃre mich. Wenn deine Seele so gewaltsam dringt, mich zu
retten, wenn du die Ã?bermacht verabscheust, die mich gefesselt hÃ?lt, so
rette mich! Die Augenblicke sind kostbar. Du bist des Allgewaltigen Sohn und
selbst gewaltig - LaÃ? uns entfliehen! Ich kenne die Wege; die Mittel
kÃnnen dir nicht unbekannt sein. Nur diese Mauern, nur wenige Meilen
entfernen mich von meinen Freunden. LÃse diese Bande, bringe mich zu ihnen
und sei unser. GewiÃ?, der KÃnig dankt dir dereinst meine Rettung. Jetzt
ist er Ã?berrascht, und vielleicht ist ihm alles unbekannt. Dein Vater wagt;
und die MajestÃ?t muÃ? das Geschehene billigen, wenn sie sich auch davor
entsetzet. Du denkst? O denke mir den Weg der Freiheit aus! Sprich, und
nÃ?hre die Hoffnung der lebendigen Seele.
Ferdinand. Schweig! o schweige! Du vermehrst mit jedem Worte meine
Verzweiflung. Hier ist kein Ausweg, kein Rat, keine Flucht. - Das quÃ?lt
mich, das greift und faÃ?t mir wie mit Klauen die Brust. Ich habe selbst das
Netz zusammengezogen; ich kenne die strengen festen Knoten; ich weiÃ?, wie
jeder KÃ?hnheit, jeder List die Wege verrennt sind; ich fÃ?hle mich mit dir
und mit allen andern gefesselt. WÃ?rde ich klagen, hÃ?tte ich nicht alles
versucht? Zu seinen FÃ?Ã?en habe ich gelegen, geredet und gebeten. Er
schickte mich hierher, um alles, was von Lebenslust und Freude mit mir lebt,
in diesem Augenblicke zu zerstÃren.
Egmont. Und keine Rettung?
Ferdinand. Keine!
Egmont (mit dem FuÃ?e stampfend). Keine Rettung! - - SÃ?Ã?es Leben!
schÃne freundliche Gewohnheit des Daseins und Wirkens! von dir soll ich
scheiden! So gelassen scheiden! Nicht im Tumulte der Schlacht, unter dem
GerÃ?usch der Waffen, in der Zerstreuung des GetÃ?mmels gibst du mir ein
flÃ?chtiges Lebewohl; du nimmst keinen eiligen Abschied, verkÃ?rzest nicht
den Augenblick der Trennung. Ich soll deine Hand fassen, dir noch einmal in
die Augen sehn, deine SchÃne, deinen Wert recht lebhaft fÃ?hlen und dann
mich entschlossen losreiÃ?en und sagen: Fahre hin!
Ferdinand Und ich soll daneben stehn, zusehn, dich nicht halten, nicht
hindern kÃnnen! O welche Stimme reichte zur Klage! Welches Herz flÃsse
nicht aus seinen Banden vor diesem Jammer?
Egmont. Fasse dich!
Ferdinand. Du kannst dich fassen, du kannst entsagen, den schweren
Schritt an der Hand der Notwendigkeit heldenmÃ?Ã?ig gehn. Was kann ich? Was
soll ich? Du Ã?berwindest dich selbst und uns; du Ã?berstehst; ich Ã?berlebe
dich und mich selbst. Bei der Freude des Mahls hab ich mein Licht, im
GetÃ?mmel der Schlacht meine Fahne verloren. Schal, verworren, trÃ?b scheint
mir die Zukunft.
Egmont. Junger Freund, den ich durch ein sonderbares Schicksal zugleich
gewinne und verliere, der fÃ?r mich die Todesschmerzen empfindet, fÃ?r mich
leidet, sieh mich in diesen Augenblicken an; du verlierst mich nicht. War
dir mein Leben ein Spiegel, in welchem du dich gerne betrachtetest: so sei
es auch mein Tod. Die Menschen sind nicht nur zusammen, wenn sie beisammen
sind; auch der Entfernte, der Abgeschiedene lebt uns. Ich lebe dir, und habe
mir genug gelebt. Eines jeden Tages hab ich mich gefreut; an jedem Tage mit
rascher Wirkung meine Pflicht getan, wie mein Gewissen mir sie zeigte. Nun
endigt sich das Leben, wie es sich frÃ?her, frÃ?her, schon auf dem Sande von
Gravelingen hÃ?tte endigen kÃnnen. Ich hÃre auf zu leben; aber ich habe
gelebt. So leb auch du, mein Freund, gern und mit Lust, und scheue den Tod
nicht.
Ferdinand. Du hÃ?ttest dich fÃ?r uns erhalten kÃnnen, erhalten sollen.
Du hast dich selber getÃtet. Oft hÃrt' ich, wenn kluge MÃ?nner Ã?ber dich
sprachen, feindselige, wohlwollende, sie stritten lang Ã?ber deinen Wert;
doch endlich vereinigten sie sich, keiner wagt' es zu leugnen, jeder
gestand: ja, er wandelt einen gefÃ?hrlichen Weg. Wie oft wÃ?nscht' ich, dich
warnen zu kÃnnen! Hattest du denn keine Freunde?
Egmont. Ich war gewarnt.
Ferdinand. Und wie ich punktweise alle diese Beschuldigungen wieder in
der Anklage fand, und deine Antworten! Gut genug, dich zu entschuldigen;
nicht triftig genug, dich von der Schuld zu befreien -
Egmont. Dies sei beiseite gelegt. Es glaubt der Mensch sein Leben zu
leiten, sich selbst zu fÃ?hren; und sein Innerstes wird unwiderstehlich nach
seinem Schicksale gezogen. LaÃ? uns darÃ?ber nicht sinnen; dieser Gedanken
entschlag ich mich leicht - schwerer der Sorge fÃ?r dieses Land! doch auch
dafÃ?r wird gesorgt sein. Kann mein Blut fÃ?r viele flieÃ?en, meinem Volke
Friede bringen, so flieÃ?t es willig. Leider wird's nicht so werden. Doch es
ziemt dem Menschen, nicht mehr zu grÃ?beln, wo er nicht mehr wirken soll.
Kannst du die verderbende Gewalt deines Vaters aufhalten, lenken, so tu's.
Wer wird das kÃnnen? - Leb wohl!
Ferdinand. Ich kann nicht gehn.
Egmont. LaÃ? meine Leute dir aufs beste empfohlen sein! Ich habe gute
Menschen zu Dienern; daÃ? sie nicht zerstreut, nicht unglÃ?cklich werden!
Wie steht es um Richard, meinen Schreiber?
Ferdinand. Er ist dir vorangegangen. Sie haben ihn als Mitschuldigen
des Hochverrats enthauptet.
Egmont. Arme Seele! - Noch eins, und dann leb wohl, ich kann nicht
mehr. Was auch den Geist gewaltsam beschÃ?ftigt, fordert die Natur zuletzt
doch unwiderstehlich ihre Rechte; und wie ein Kind, umwunden von der
Schlange, des erquickenden Schlafs genieÃ?t, so legt der MÃ?de sich noch
einmal vor der Pforte des Todes nieder und ruht tief aus, als ob er einen
weiten Weg zu wandern hÃ?tte. - Noch eins - Ich kenne ein MÃ?dchen; du wirst
sie nicht verachten, weil sie mein war. Nun ich sie dir empfehle, sterb ich
ruhig. Du bist ein edler Mann; ein Weib, das den findet, ist geborgen. Lebt
mein alter Adolf? ist er frei?
Ferdinand. Der muntre Greis, der Euch zu Pferde immer begleitete?
Egmont. Derselbe.
Ferdinand. Er lebt, er ist frei.
Egmont. Er weiÃ? ihre Wohnung; laÃ? dich von ihm fÃ?hren und lohn ihm
bis an sein Ende, daÃ? er dir den Weg zu diesem Kleinode zeigt. - Leb wohl!
Ferdinand. Ich gehe nicht.
Egmont (ihn nach der TÃ?r drÃ?ngend). Leb wohl!
Ferdinand. O laÃ? mich noch!
Egmont. Freund, keinen Abschied.
(Er begleitet Ferdinanden bis an die TÃ?r und reiÃ?t sich dort von ihm
los. Ferdinand, betÃ?ubt, entfernt sich eilend.)
Egmont (allein). Feindseliger Mann! Du glaubtest nicht, mir diese
Wohltat durch deinen Sohn zu erzeigen. Durch ihn bin ich der Sorgen los und
der Schmerzen, der Furcht und jedes Ã?ngstlichen GefÃ?hls. Sanft und
dringend fordert die Natur ihren letzten Zoll. Es ist vorbei, es ist
beschlossen! und was die letzte Nacht mich ungewiÃ? auf meinem Lager wachend
hielt, das schlÃ?fert nun mit unbezwinglicher GewiÃ?heit meine Sinnen ein.
(Er setzt sich aufs Ruhebett. Musik.)
SÃ?Ã?er Schlaf! Du kommst wie ein reines GlÃ?ck ungebeten, unerfleht am
willigsten. Du lÃsest die Knoten der strengen Gedanken, vermischest alle
Bilder der Freude und des Schmerzes; ungehindert flieÃ?t der Kreis innerer
Harmonien, und eingehÃ?llt in gefÃ?lligen Wahnsinn, versinken wir und hÃren
auf zu sein.
(Er entschlÃ?ft; die Musik begleitet seinen Schlummer. Hinter seinem
Lager scheint sich die Mauer zu erÃffnen, eine glÃ?nzende Erscheinung zeigt
sich. Die Freiheit in himmlischem Gewande, von einer Klarheit umflossen,
ruht auf einer Wolke. Sie hat die ZÃ?ge von KlÃ?rchen und neigt sich gegen
den schlafenden Helden. Sie drÃ?ckt eine bedauernde Empfindung aus, sie
scheint ihn zu beklagen. Bald faÃ?t sie sich, und mit aufmunternder GebÃ?rde
zeigt sie ihm das BÃ?ndel Pfeile, dann den Stab mit dem Hute. Sie heiÃ?t ihn
froh sein, und indem sie ihm andeutet, daÃ? sein Tod den Provinzen die
Freiheit verschaffen werde, erkennt sie ihn als Sieger und reicht ihm einen
Lorbeerkranz, Wie sie sich mit dem Kranze dem Haupte nahet, macht Egmont
eine Bewegung, wie einer, der sich im Schlafe regt, dergestalt, daÃ? er mit
dem Gesicht aufwÃ?rts gegen sie liegt. Sie hÃ?lt den Kranz Ã?ber seinem
Haupte schwebend: man hÃrt ganz von weitem eine kriegerische Musik von
Trommeln und Pfeifen: bei dem leisesten Laut derselben verschwindet die
Erscheinung. Der Schall wird stÃ?rker. Egmont erwacht; das GefÃ?ngnis wird
vom Morgen mÃ?Ã?ig erhellt. Seine erste Bewegung ist, nach dem Haupte zu
greifen: er steht auf und sieht sich um, indem er die Hand auf dem Haupte
behÃ?lt.)
Verschwunden ist der Kranz! Du schÃnes Bild, das Licht des Tages hat
dich verscheuchet! Ja sie waren's, sie waren vereint, die beiden sÃ?Ã?esten
Freuden meines Herzens. Die gÃttliche Freiheit, von meiner Geliebten borgte
sie die Gestalt; das reizende MÃ?dchen kleidete sich in der Freundin
himmlisches Gewand. In einem ernsten Augenblick erscheinen sie vereinigt,
ernster als lieblich. Mit blutbefleckten Sohlen trat sie vor mir auf, die
wehenden Falten des Saumes mit Blut befleckt. Es war mein Blut und vieler
Edeln Blut. Nein, es ward nicht umsonst vergossen. Schreitet durch! Braves
Volk! Die SiegesgÃttin fÃ?hrt dich an! Und wie das Meer durch eure DÃ?mme
bricht, so brecht, so reiÃ?t den Wall der Tyrannei zusammen und schwemmt
ersÃ?ufend sie von ihrem Grunde, den sie sich anmaÃ?t, weg!
(Trommeln nÃ?her.)
Horch! Horch! Wie oft rief mich dieser Schall zum freien Schritt nach
dem Felde des Streits und des Siegs! Wie munter traten die GefÃ?hrten auf
der gefÃ?hrlichen, rÃ?hmlichen Bahn! Auch ich schreite einem ehrenvollen
Tode aus diesem Kerker entgegen; ich sterbe fÃ?r die Freiheit, fÃ?r die ich
lebte und focht und der ich mich jetzt leidend opfre.
(Der Hintergrund wird mit einer Reihe spanischer Soldaten besetzt,
welche Hellebarden tragen.)
Ja, fÃ?hrt sie nur zusammen! SchlieÃ?t eure Reihen, ihr schreckt mich
nicht. Ich bin gewohnt, vor Speeren gegen Speere zu stehn und, rings umgeben
von dem drohenden Tod, das mutige Leben nur doppelt rasch zu fÃ?hlen.
(Trommeln.)
Dich schlieÃ?t der Feind von allen Seiten ein! Es blinken Schwerter;
Freunde, hÃhern Mut! Im RÃ?cken habt ihr Eltern, Weiber, Kinder!
(Auf die Wache zeigend.)
Und diese treibt ein hohles Wort des Herrschers, nicht ihr GemÃ?t.
SchÃ?tzt eure GÃ?ter! Und euer Liebstes zu erretten, fallt freudig, wie ich
euch ein Beispiel gebe.
(Trommeln. Wie er auf die Wache los- und auf die HintertÃ?r zugeht,
fÃ?llt der Vorhang: die Musik fÃ?llt ein und schlieÃ?t mit einer
Siegessymphonie das StÃ?ck.)
ðÏÐÕÌÑÒÎÏÓÔØ: 11, Last-modified: Fri, 24 Jan 2003 11:57:01 GmT